Einmal Pipi 16 Mark

■ Bremen muß bei öffentlicher Scheiße sparen/Die Pipi-Affäre kommt voran

Mit kleinen Schaufeln und Plastikhandschuhen könnten Bremens BürgerInnen einen wunderbaren Sparbeitrag leisten. Was eifrige HundehalterInnen schon lange vormachen, dürfte in der Hansestadt bald Furore machen. Schließlich hat das Umweltressort Finanzsenator Ulrich Nölle einen interessanten Vorschlag gemacht: Um den geforderten Sparbeitrag zu leisten, müßte eben das öffentliche Toilettenwesen darben. Wenn der Finanzsenator zupackt, ist die Losung deshalb für alle klar: Packt kräftig an und kauft Schäufelchen, um den Bremer Haushalt endlich sauber zu machen.

Zuviel Geld verschwindet in dunklen Kanälen, befand das Umweltressort und legte dem Finanzsenator harte Zahlen vor. Denn die hatte er ja schließlich von jedem Ressort verlangt, um sie am Mittwoch in der Finanzklausur ausführlich zu beraten. Das Umweltressort hat ernst gemacht: Schließen der städtischen Bedürfnisanstalt in der Vahr und außerdem kürzere Öffnungszeiten für öffentliches Scheißen, so liest sich der umwelteigene Sparvorschlag.

Ob der Bremer beim Einkauf künftig unter lästigem Harn- oder Darmdrang leidet, soll der gebeutelten Stadt künftig egal sein. Schließlich ist öffentlich bezuschußte Scheiße mit einem maroden Haushalt nicht zu machen. Ein Scheißhaufen in der städtischen Bedürfnisanstalt kostet die Stadt nämlich genau 16 Mark. „Das ist ein verdammt teures Zuschußgeschäft“, resümiert Umweltressort-Sprecher Holger Bruns-Kösters.

Wer sich in der Stadt erleichtern will, könnte es in Zukunft immer schwerer haben: Schon letztes Jahr hatte das Umweltressort das erste von insgesamt vier städtischen Toilettenhäuser einfach dichtgemacht. Schließlich waren in der Lüneburger Straße am Steintor nur 13.000 pinkelnde Männer und Frauen pro Jahr gesichtet worden – und dafür hatte die Stadt satte 211.000 Mark berappt. In den verbleibenden drei städtischen Bedürfnisanstalten am Domshof, am Brill und in der Berliner Freiheit sollten BremerInnen künftig zwischen 6.30 und 19 Uhr erscheinen.

Außerdem wurde dem Harndrang an Sonn- und Feiertagen sowie in der Nacht eine klare Absage erteilt: Seit letztem Jahr bleiben in dieser Zeit die Stahltüren einfach zu. Doch nicht nur das: Wer aufs öffentliche Töpfchen will, zahlt seit letztem Jahr genau eine Mark. Nur Männer brauchen weiterhin nur fünfzig Pfennig fürs Wasserlassen berappen. Gesamter Spareffekt in diesem Jahr: Laut Umweltressort satte 436.000 Mark.

Schade nur, daß das Umweltressort bei seinen 16 silbernen Automatiktoiletten von Anfang an nicht ans Sparen gedacht hat. Schließlich verschlingen die von der Firma Decaux geleasten Silberdinger jährlich fast 700.000 Mark. Werbung ist auf diesen Modellen leider laut Deutscher Städtereklame nicht gestattet. Dafür hätte sich Bremen andere Toiletten-Anlagen leasen müssen. Doch jetzt ist jede Chance vertan: Der Vertrag mit Decaux läuft bis zum Jahr 2004 – selbst wenn er bis Ende 2002 gekündigt wird. Die jährlich rund 84.000 NutzerInnen wird's freuen – schließlich kann der Finanzsenator dort keine Daumenschrauben ansetzen.

In den dunklen Katakomben im Brilltunnel macht sich bereits großer Unmut über die Bremische Toilettenwesen-Politik breit. Vor allem die Frauen meiden die öffentliche Brill-Toilette – wegen ungleichbehandelter Pinkelabgaben – während die Männer bei der Pinkelpause über unangenehme Gerüche und Düfte klagten. „Dann gehen wir halt zu Karstadt oder ins Cafe“, hört man einen sagen. Die Geschäftsleute in der Innenstadt können sich im voraus beim Bürgermeister für tausend pißwütige Toilettenpilger bedanken. Die Vahrer BürgerInnen brauchen gar nicht mehr zetern. Wenn ihr Häuschen in der Berliner Freiheit dichtmacht, dann gibt es nichts mehr zu klagen. Bleibt genug Zeit, sich ein schönes Plätzchen im Vahrer Park zu suchen – und sich beim Plastikschaufel-Kauf beraten zu lassen. kat