: Thyssens Arbeiter mit Problemen
■ Beim Transrapid hat der Mischkonzern zu hoch gepokert, bei der Handelsabteilung kräftige Verluste im vergangenen Jahr eingefahren. Für die gewünschten schwarzen Zahlen entläßt Thyssen wie gehabt
Berlin (taz/rtr) – Beim Namen Thyssen erschauert zwar niemand mehr ehrfürchtig bis haßerfüllt im Gedenken an Stahlbarone, aber ein ansehnliches Konzernchen ist die heutige AG doch noch. Leider sind die Geschäfte im Bilanzjahr 1995/96 nicht so gut gelaufen: Der Umsatz sank um eine knappe halbe Milliarde Mark auf 38,7 Milliarden, der Gewinn vor Steuern von gut einer Milliarde auf 611 Millionen Mark. Der offizielle Jahresüberschuß lag bei 350 Millionen.
In diesem Jahr soll es wieder besser gehen, meinte Thyssen- Chef Dieter Vogel gestern in Düsseldorf. Im Maschinenbau und beim Automobilsektor sieht er Wachstumschancen. Schwieriger wird es bei Vorhersagen im Stahlbereich, weil die Preise seiner Meinung nach nicht richtig anziehen.
Bei den derzeit etwa 120.000 Beschäftigten wird weiter die Angst um ihren Job umgehen. Thyssen hat seit 1990 rund 25.000 Stellen abgebaut, im letzten Geschäftsjahr waren es allein 3.200. Ausrichtung auf die Kernbereiche heißt die Strategie von Dieter Vogel. Teil eines Kerns sollte eigentlich der Transrapid bleiben. Die Tochter Thyssen Industrie AG in Essen entwickelt schließlich federführend die Magnetschwebebahn. Der Thyssen-Chef machte sich gestern wieder für den Transrapid stark – meinte aber, daß es den Aktionären gegenüber nicht verantwortbar wäre, sich in ein unkalkulierbares Abenteuer zu stürzen.
Auch ohne Transrapid wird Vogel genug zu tun haben. Die einstige Geldkuh des Konzerns, die Thyssen Handelsunion, muß wieder auf Gewinnkurs gebracht werden. Ihr Profit war von über 200 Millionen Mark auf Null gefallen. Dabei sind die diesjährigen Verluste bei der 30prozentigen Beteiligung an der Mobilfunkgesellschaft E plus (angeblich 170 Millionen Mark) noch nicht berücksichtigt. Die Kur für die Handelsunion: Vergangenes Jahr wurden 1.700 Leute entlassen. Von der Konkurrenz Stinnes wurde Hans-Erich Forster als Chef geholt. Er soll 1999 wieder schwarze Zahlen schreiben.
Außerdem kämpft der Thyssen- Chef auch mit juristischen Problemen. Bei der Wiedervereinigung hatte Thyssen wie andere Westkonzerne auch günstig potentielle Konkurrenten, so das DDR-Kombinat Metallurgiehandel übernommen. Gegen den Ex-Geschäftsführer der Thyssen Handel Berlin, Peter Welzel, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Veruntreuung von 73 Millionen Mark. Nun muß er laut Focus wieder vor den Kadi: Er soll 1990 die Metallurgiehandel um weitere 5,6 Millionen Mark geschädigt haben. Welzel war erst im November gegen Kaution freigekommen. Chef von Welzel zu der Zeit war Dieter Vogel. rem
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