Grünfläche oder Reise nach Mallorca

Auf dem achten „Stadtforum von unten“ stand der „Masterplan“ zur Diskussion. Für Staatssekretär Hans Stimmann ist die Neuplanung der Mitte auch ein Ausdruck veränderter Lebensstile  ■ Von Uwe Rada

Wenn zum x-ten Mal über ein- und dasselbe Thema geredet wird, stellt sich die Frage, was an neuen Aspekten überhaupt noch in die Diskussion eingebracht werden kann. Beim „Masterplan“ alias „Planwerk Innenstadt“ ist das anders. Je länger über diesen Plan debattiert wird, desto deutlicher wird, was sich außer „Nachhaltigkeit“ oder einer „städtebaulichen Vollendung der Einheit“ noch hinter diesem überaus bildreichen Werk verbirgt.

Auf der achten Sitzung des „Stadtforums von unten“ am Montag abend in der Kalkscheune in Mitte brachte es Hans Stimmann auf den Punkt: „Die Lebensstile haben sich geändert. Jeder von uns fliegt doch nach Mallorca oder Hawaii oder fährt zumindest ins Umland. Jeder geht ins Fitneß-Center. Wer braucht da noch wohnungsnahe Grünflächen?“ Die Frage, wer mit „uns“ oder „wir“ gemeint sei, beantwortete der Staatssekretär in der Stadtentwicklungsverwaltung mit einer Metapher. Wichtig für ihn sei nicht das Votum der Stadtbewohner, sondern die Akzeptanz der Stadtgesellschaft.

Die Frage, wem die Stadt eigentlich gehöre, ist oft gestellt worden. Stimmanns Wort von der Stadtgesellschaft, die offenbar mehr ist als die Summe ihrer Bewohner, deren qualifizierte Meinung damit auch mehr gilt als die Summe der Meinungen der Stadtbewohner, ist immerhin eine Antwort. Und eine Provokation zugleich. „Es gibt auch Leute, die nicht in den Süden fliegen“, tönte es aus dem Publikum. „Wie erklären Sie sich, daß die wenigen Grünflächen trotz veränderter Lebensstile übergenutzt sind?“ will eine Frau wissen. „Geh doch zurück nach Lübeck!“, pöbelte der Architekt Peter Mayer in Stimmanns Richtung. Eine andere Diskutantin argwöhnte gar, daß die 68er- Generation da für sich selbst plane.

Doch nicht nur, wer für wen plant, stand am Montag abend zur Debatte, sondern – einmal mehr – das Demokratieverständnis der Planer. Auch hier sprach Stimmann Klartext: „Der Umgang mit der Mitte“, sagte er, „ist die Aufgabe der Gesamtstadt, nicht nur des Bezirks Mitte.“ Uschka Thierfelder vom Bündnis Mitte wies darauf hin, daß der Bezirk an wichtigen Orten wie am Alexanderplatz, dem Leipziger Platz oder den Regierungsstandorten ohnehin keine Planungshoheit mehr habe. Vom Planungssubjekt Gesamtstadt kann in der Tat keine Rede sein. Statt dessen entscheidet entweder der Senat oder gleich die Bundesregierung. Der „überörtlichen Bedeutung“ wegen.

Ist der Masterplan für seine Protagonisten ein „Lackmustest für die Hauptstadtfähigkeit der Berliner Politik“ (Klaus Hartung), ist er für die Kritiker allerdings nicht nur eine Frage der Planungskultur. Er ist auch ein Anzeichen für die Akzeptanz verschiedener Lebenswelten, den Umgang mit sozialen Unterschieden. Was für die einen ein „Identitätsangebot“ (Stimmann) ist, kann für andere schon Ausgrenzung sein. „Es gibt bisher keine vernünftige Antwort darauf, warum Berlin auf seine Vielfalt und seine zwei Zentren verzichten soll“, schimpfte der Architekturkritiker Wolfgang Kil, neben Stimmann und der Stadtplanerin Susanne Jahn einer der drei DiskutantInnen auf dem Podium des Stadtforums von unten. Susanne Jahn, die im Auftrag des Bezirks Mitte die Bereichentwicklungsplanung erarbeitet hat, klagte darüber, daß plötzlich die verschiedenen Auffassungen und Ideen von Stadt nicht mehr gelten sollten.