: Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar
...wäre gern berühmt. Einmal ganz oben, und dann die große, breite Treppe runter. Immer wieder. Und stets die dunkle Brille dabei, damit einen ja keiner erkennt. Die Kellner halten durchgehend den besten Tisch reserviert, und die Autogrammpost erledigt ein chicer Sekretär. Was für ein Leben! Und alle Wunden wären auf einmal geheilt.
Aber wenn der homosexuelle Mann den Aufstieg einmal geschafft hat, muß er blechen dafür. Sein „so sein“ wird plötzlich zum „Privatleben“ und das bestgehütete Geheimnis der Welt. Darüber wachen unisono Manager, Produzenten und die gesamte Klatschpresse, eine einzige Verschwörung des Schweigens. Der Star bekommt eine Sandprinzessin an seine Seite, ganz Alibi, oder zumindest einen Hund. Es beginnt die „Diktatur der Heterosexualität“, wie Christopher Isherwood es einmal genannt hat.
Die Geschichte von Hollywood ist voller Geschichten von diesen besonderen Stars. Könnten sie reden, sie würden alle das gleiche erzählen: daß ein schwuler Star nichts taugt. Nicht zur Identifikation und nicht als Vorbild. Und keiner ihrer Filme würde den Tag nach der Premiere überstehen. Das hat man ihnen beigebracht, und das glauben sie wirklich. Viel wichtiger aber ist, daß all jene davon überzeugt sind, die auf jeden Dollar achten müssen, um das große Geld zu machen.
Die Kolumnistin Marilyn Beck veröffentlichte im letzten Jahr eine lange Liste prominenter Hollywood-Kerle, die hin und wieder ihre Frauen oder Freundinnen verprügelten. Sean Penn gehört dazu, Anthony Quinn und Burt Reynolds, Axl Rose und Mickey Rourke, O.J. Simpson, Steven Segal und noch ein paar mehr. Geschichten aus dem Privatleben halt, über die jeder weiß und jeder schreibt. Und hat es ihnen geschadet? Im Gegenteil. Sie wurden von keiner Gehaltsliste gestrichen und aus keinem Studio verjagt.
Mindestens genauso lang ist in Hollywood die Liste der Homo- Stars, die ihre Jobs verloren in dem Moment, als die ersten Gerüchte kursierten: Angefangen bei den Stummfilm-Idolen Ramon Novarro, William Haines, Nils Ashter und Rod La Rocque bis hin zu Randolph Scott und Sal Mineo. Bei James Dean, Montgomery Clift und Rock Hudson kam der Tod dazwischen, und die Geschichte erledigte sich von selbst. Wie gut das System funktioniert, erzählt eine Anekdote von 1939: George Cukor sollte Regie führen bei „Vom Winde verweht“. Clark Gable stellte sich quer: „Unter der Tunte arbeite ich nicht!“ beschied er seinem Produzenten – den Job bekam ein anderer.
Hollywood könnte schließen, wenn alle rauskämen. Das jedenfalls sagte einer, der es wissen mußte, Rock Hudson: „Zu viele, um sie alle aufzuzählen“, antwortete er einst auf die Frage, wie viele Schauspieler in Hollywood schwul seien: „Schwul oder bi – was immer das auch heißen mag – sind die meisten.“ Und schloß die Offenbarung mit einer Erfahrung, die wohl all die wenigen schon gemacht haben, die mal mit einem öffentlichen Coming-out kokettierten: „Amerika will es nicht wissen!“
So schließt sich der Kreis. Und der homosexuelle Mann, der so gerne berühmt wäre, ist froh, wenn er berühmt geworden ist, denn dann hat er sein Ziel erreicht: Er muß nicht mehr homosexuell sein.
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