piwik no script img

Die Linke braucht eine völlig neue Politik

■ Diego López Garrido, Vorsitzender der Demokratischen Partei Neue Linke (PDNI), will die Spaltung überwinden und ein großes Linksbündnis formieren, den spanischen „Olivo“

taz: Glauben Sie allen Ernstes an die Möglichkeit einer gemeinsamen Oppositionspolitik mit der PSOE, der Partei der Korruption und des schmutzigen Kriegs gegen die GAL?

López Garrido: Eine Zusammenarbeit ist natürlich möglich, allerdings nicht auf der Grundlage der bisherigen sozialistischen Regierungspolitik. Die Themen GAL und Korruption sind vor Gericht. Dort sind sie gut aufgehoben. Die Richter werden ihre Schlüsse ziehen müssen. Doch das ist die Vergangenheit. Wir müssen nach vorn schauen. Dabei darf die PSOE nicht vergessen, was links von ihr passiert. Und für uns gilt, daß eine Alternative zur spanischen Rechten ohne die Sozialisten der PSOE nicht machbar ist.

Ihre Vorschläge stoßen auf taube Ohren.

Die Vereinigte Linke (IU) und die PSOE haben die ganzen Jahre über gegeneinander Politik gemacht. IU sprach dabei von den zwei Ufern. Auf der einen Seite IU, auf der anderen Seite der Rest der Gesellschaft, einschließlich der PSOE. Die Sozialisten setzten dem immer die Theorie entgegen, daß die PSOE das gemeinsame und einzige Haus der Linken sei. Das rächt sich jetzt in der Opposition. Wenn überhaupt, funktioniert die Zusammenarbeit an einzelnen, ganz konkreten Punkten. Deshalb gibt es im Augenblick auf beiden Seiten keine Mehrheit für eine breit angelegte Zusammenarbeit. Kontakte werden als das kleinere Übel gesehen, aber auch nicht mehr.

Wo sehen Sie die theoretischen Grundlagen für eine neue Linke?

Wenn die Linke den Herausforderungen des nächsten Jahrtausends gewachsen sein will, muß eine völlig neue Politik her. Die Zielgruppe kann künftig nicht mehr das Industrieproletariat sein, wie das bisher sowohl bei Kommunisten als auch bei Sozialdemokraten der Fall war. Die Gesellschaft, der gesamte Produktionsprozeß, befindet sich im Wandel. Die Frauen, die sich mehr denn je in das Wirtschaftsleben einklinken, der Rückgang der Industrieproduktion zugunsten der Dienstleistungen, der Feminismus, die Ökologien, die internationale Solidarität, all das kommt im traditionellen linken Denken nicht vor. Eine neue Linke wird deshalb weder sozialdemokratisch noch kommunistisch sein.

Können die katalanischen Pläne eines „Olivo“ als Modell für Spanien dienen?

In Katalonien finden wir eine andere Situation vor als im restlichen Spanien. Die nationalistische Mitte-rechts-Regierung von Jordi Pujol regiert dort seit 14 Jahren. Das ist eine lange Zeit. Die Linke hat alles versucht, Pujol abzulösen, und nie hat es geklappt. Deshalb liegt ein Zusammengehen, ein „Olivo“, einfach nahe. Hinzu kommt, daß sich die PSOE in Katalonien nicht so sehr in Korruptionsskandalen verschlissen hat. Und außerdem haben bei IU, der „Initiativa per Catalunya“, wir, die Erneuerer, die Mehrheit. All das vereinfacht den Annäherungsprozeß. Aber mit einem einfachen Addieren der Kräfte ist es nicht getan. Das mußten schon die Grünen und die SPD in Deutschland lernen. Ohne ein politisch kohärentes Projekt, eine tatsächliche Alternative, gibt es keinen Wahlsieg.

Ist eine Annäherung überhaupt denkbar, solange Felipe González der PSOE vorsteht?

Mir gefällt es nicht, solche Fragen von Personen abhängig zu machen. Ich weiß nur eines: Ein spanischer Olivo ist weder mit der bisherigen PSOE-Politik noch mit der von IU zu machen. Ein Olivo müßte fortschrittlicher sein als die PSOE bisher, europaorientierter und damit glaubwürdiger als IU. Ein solch tiefgreifender Strategiewandel zieht auch personelle Veränderungen nach sich. Ich will nicht, daß in Spanien das gleiche passiert wie in Deutschland, wo Kohl seit 14 Jahren regiert und es so aussieht, als würde er weitere 14 Jahre dranbleiben. Interview: Reiner Wandler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen