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Großrazzia gegen Demonstranten in Albanien

■ Opposition gründet „Forum für Demokratie“. Blutspenden als Einkommensquelle

Tirana (dpa/AP/taz) – Acht Oppositionsparteien in Albanien haben sich zu einem gemeinsamen „Forum für Demokratie“ zusammengeschlossen, um die alleinregierende Demokratische Partei von Staatschef Sali Berisha abzulösen. Das „Forum“ rief gestern in Tirana die Regierung auf, ein Kabinett aus Experten zu bilden, um das Land aus der Krise zu führen. Die Regierung sei für die gewaltsamen Unruhen nach dem Bankrott dubioser Geldhändler verantwortlich.

Nach Darstellung der Sozialistischen Partei, der größten Oppositionskraft in Albanien, hat die Polizei bis zu 700 ihrer Anhänger wegen der Unruhen festgenommen. Das Vorgehen der Behörden sei politisch bestimmt und stelle einen „faschistischen Terror“ dar. Ein Sprecher des Innenministeriums versicherte dagegen, die albanische Polizei habe nur 247 Demonstranten verhaftet, die an den gewaltsamen Protesten beteiligt gewesen seien. In Tirana zogen sich die Soldaten, die in den letzten Tagen an öffentlichen Gebäuden postiert waren, wieder in ihre Kasernen zurück. Die Polizei patrouillierte aber weiter in den Straßen der Hauptstadt. Sie löste eine Demonstration von 30 ehemaligen politischen Häftlingen auf.

Die Behörden haben nach Angaben der Opposition gegen die Vorsitzenden der drei wichtigsten Oppositionsgruppen Anklage erhoben, nachdem enttäuschte Sparer am Wochenende zahlreiche Amtsgebäude angezündet hatten. Die Oppositionsführer sollen die Menschen aufgestachelt haben. Bei einem Schuldspruch drohen ihnen bis zu drei Jahre Gefängnis.

Dutzende verarmte Albaner suchen unterdessen, durch Blutspenden an Geld zu kommen. Für 400 Milliliter Blut werden in Tirana umgerechnet 35 Mark bezahlt. Eine 23jährige Mutter zweier Kinder sagte, sie spende Blut, weil sie kein Geld mehr habe, um Brot zu kaufen. Durch die Spekulationsgeschäfte habe sie ihre gesamten Ersparnisse verloren.

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