piwik no script img

Dolgenbrodter Chronik: Eine Brandstiftung, ein Verurteilter und viele Verdächtige

In der Nacht zum 1. November 1992 brennt das bezugsfertige, aber noch leerstehende Asylbewerberheim im 260-Einwohner- Dorf Dolgenbrodt 40 Kilometer südöstlich von Berlin ab. Wütende Proteste der Bürger gegen den Bau waren zuvor erfolglos geblieben.

Einem Reporter der Berliner Zeitung gegenüber zeigen sich Dorfbewohner erleichtert, ja geradezu glücklich über den Brand.

17. Mai 1993: Der 19jährige Rechtsradikale Silvio Jackowski wird verhaftet. Er gibt zu, von der Tat zu wissen. Aus dem Dorf sei „finanzielle und logistische Unterstützung“ der Brandstifter erfolgt.

24. August: Die taz enthüllt, daß Dorfbewohner 2.000 Mark als Prämie für den oder die Brandstifter ausgelobt und gesammelt haben. Das Dorf wird in den folgenden Tagen von Reportern überrannt. Die Einwohner wollen nichts gehört, nichts gesehen und nichts gewußt haben.

20. Juni 1994:Der jetzt wegen Brandstiftung angeklagte Jackowski beschuldigt im Prozeß unter anderen den Blumenhändler Thomas O., den Elektriker Gerd G. und den Fischer Armin S., die Täter bezahlt zu haben. Den Brand hätten jedoch andere gelegt: Der Dolgenbrodter Dorfskin Marco Sch. zusammen mit den Rechtsradikalen Renato P. und Erik O.

23. Juni 1994: Jackowski wird vom Potsdamer Landgericht mangels Beweisen freigesprochen. Über die Dolgenbrodter sagt der Richter in seiner Urteilsbegründung: „Das Klima für die Brandstiftung war da, es fehlte nur noch ein Vollstrecker.“

27. Januar 1996: Das Landgericht Frankfurt/Oder rollt den Prozeß neu auf, nachdem der Bundesgerichtshof das Potsdamer Urteil aufgehoben hat. Silvio Jackowski wird wegen Brandstiftung zu einer zweijährigen Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

Ende Januar 1997: Blumenhändler Thomas O. und Elektriker Gerd G. werden in Untersuchungshaft genommen. Marco Sch. wird nach einer Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft in Franfurt/Oder vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt. Sein Vater wurde gestern festgenommen.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen