: Einwände werden nicht geduldet
■ Die Pläne für das Kanzleramt werden nach dem Spatenstich präsentiert, ganz so als handele es sich um Kohls Privatsache
Herrische Gesten, dicke Fingerzeige à la „da soll das Ding hin“ und ein „Hauch des Monarchischen“, wie Berlins Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) monierte, bestimmen den Stil der Hauptstadtplanung Helmut Kohls. Beim Bau des Berliner Amtssitzes stellt Kohl erneut seine autokratische Haltung unter Beweis. Die Pläne werden der Öffentlichkeit erst nach dem „Ersten Spatenstich“ präsentiert – ganz so als handle es sich um die ausschließliche Privatsache des Regierungschefs, der ein Recht darauf hat, wann, wie und wo er die geheimnisvolle Katze aus dem Sack läßt.
„Über das Amt entscheidet Kohl“, hatte Kanzleramtsadlatus Friedrich Bohl die Linie vorgegeben. Kritik an dem Entwurf des Architekten Axel Schultes kann es ab heute abend zwar geben. Der Diskurs darüber, eine breite Diskussion oder gar die Chance auf Korrektur wird aber verpuffen. Der Faktor Zeit ist ein Freund des Kanzlers. Auch das Problem wird er aussitzen.
Bei den „großen Projekten“ für die Hauptstadt hält es Kohl wie sein Freund Mitterrand. Einwände gegen die „Planungen der Kanzlerrepublik“, wie etwa die des zuständigen Bezirksbürgermeisters von Tiergarten Jörn Jensen (Bündnis 90/Die Grünen), müssen hinter der „bedeutenden Sache“ zurückstehen, ja werden erst gar nicht zur Kenntnis genommen. Selbst Parteifreunde, beispielsweise der Berliner Bausenator Jürgen Klemann (CDU), erfahren manchmal erst aus zweiter Hand, was der Parteiboß baulich beschließt.
Beim Erweiterungsbau des Deutschen Historischen Museums (DHM) trumpfte Kohl in Berlin mit dem amerikanischen Stararchitekten Iheo Ming Pei auf. Kaum weniger selbstherrlich fällte er die Entscheidungen, die Neue Wache mit der aufgeblasenen Piéta von Käthe Kollwitz auszustatten sowie das Wettbewerbsergebnis für das Holocaust-Mahnmal zu kippen.
Natürlich gibt es Günstlinge – Experten genannt –, die nahe an das Zentrum heran dürfen. Für die Meinungsbildung ließ sich Kohl nicht nur von Kanzleramtsminister Anton Pfeiffer beraten. Ebenso wichtig sind ihm die Ratschläge der einstigen Präsidentin der Bundesbaudirektion und jetzigen Berliner Baudirektorin Barbara Jakubeit sowie des Wiener Architekten Gustav Peichl, der die Kunst- und Ausstellungshalle in Bonn realisiert hat. Es wird gemunkelt, daß Peichl der Haupteinflüsterer gegen den ersten Schultes-Entwurf gewesen sein soll. Daß Schultes heute, nach zig Überarbeitungen und verrauchter Wut über die Antanzerei in Bonn, das anders sieht, ist verständlich.
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