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Getreideschutzzoll bringt Minister zu Fall

■ Polens Finanzminister tritt ab. Sein Nachfolger will Reformen weiterführen

Warschau (taz) – Polen hat einen neuen Finanzminister. Marek Belka, Professor für Wirtschaftswissenschaften und seit Januar im Beraterstab von Präsident Aleksander Kwasniewski, nahm gestern die Ernennungsurkunde entgegen. Nur wenige Stunden zuvor hatte Kwasniewski den Rücktritt der bisherigen Finanzministers Grzegorz Kolodko angenommen.

Über den Rücktritt Kolodkos war schon am Vortag in der polnischen Presse spekuliert worden. „Mit ihm will niemand mehr zusammenarbeiten, weder Ministerpräsident Cimoszewicz noch Präsident Kwasniewski“, hatte die Warschauer Tageszeitung Zycie Warszawy eine „Quelle“ aus Regierungskreisen zitiert. Kolodko war am Montag noch mit Belka und Kwasniewski auf dem Wirtschaftsgipfel in Davos gewesen und hatte alle Rücktrittsgerüchte dementiert.

Der Finanzminister hatte in der letzten Zeit eine Arroganz an den Tag gelegt, die ihn innerhalb der Regierung isolierte. Die Drohung gegenüber Landwirtschaftsminister Jagielinski, dessen Politik „kontrollieren“ zu lassen, weil sie allein an den Interessen der Kleinbauern ausgerichtet sei, brachte das Faß zum Überlaufen. Ministerpräsident Cimoszewicz, der, wie Kolodko es ausdrückte, für den eklatanten Fehler der Regierung verantwortlich sei, wandte sich endgültig von ihm ab. Und auch Staatspräsident Kwasniewski. Dabei wird Kolodko weniger die Kritik an sich als die Form, in der er sie äußerte, übelgenommen.

Der Wirtschaftsprofessor und Finanzexperte hatte Ende April 1993 das Finanzministerium übernommen und war länger im Amt als jeder andere Minister nach 1989. Obwohl er die Wirtschaftspolitik seines Vorgängers Leszek Balcerowicz als zu radikale und schnelle Liberalisierung kritisierte, führte er das Reformwerk fort.

Mit der „Strategie für Polen“, umriß Kolodko die Ziele seiner Politik für die Jahre 1994 bis 1997 und gab damit dem Land eine wohltuende längerfristige Perspektive: Senkung der sozialen Kosten der Reformen, Wirtschaftswachstum und Stabilität. Kolodko stieß allerdings immer dann an Grenzen, wenn unpopuläre Maßnahmen anstanden: die Renten- oder Steuerreform oder die Reform der Landwirtschaft.

Millionen von Bauern wählen die PSL, die daher auch „Bauernpartei“ und nicht „polnische Volkspartei“ genannt wird. Der parteilose Professor ist im Grunde nie Politiker geworden und fand das „Parteiengezänk“ eher hinderlich für die Arbeit. Der Streit mit der PSL, dem kleineren Koalitionspartner in der von dem postkommunistischen „Bündnis der demokratischen Linken“ (SLD) und der Bauernpartei geführten Regierung, mußte eskalieren. Am Ende war es ein Getreideschutzzoll, der Kolodko zu Fall brachte.

Auch sein Nachfolger distanzierte sich bislang von der Politik. „Ich bin ein Wirtschaftswissenschaftler und habe mich vom politischen Leben strikt zurückgehalten“, erklärte Belka, als er in den Beraterstab Kwasniewskis berufen wurde. Der 45jährige, der über Milton Friedman, die „Reagonomics“ und den Transformationsprozeß in Polen gearbeitet hat, will Kolodkos „Strategie für Polen“ fortsetzen. In einem Interview mit Radio Zet erklärte er, die Strukturreformen in den Mittelpunkt seiner Politik stellen zu wollen – mithin die „heißen Eisen“. Gabriele Lesser

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