: Hochzeit der gelangweilten Prinzen
■ Die Niederländerin Puck Oosthoek inszeniert am Altonaer Theater Georg Büchners Lustspiel Leonce und Lena unter Hinwegnahme alles scheinbar Romantischen
Weg mit der Natur! „Ballast“ nennt Regisseurin Puck Oosthoek die Landschaftsbeschreibungen in Leonce und Lena. Und der muß abgeworfen werden, um Zeit zu schaffen für andere Szenen, beispielsweise die Darstellung von Leonces Selbstmordgedanken. „Ein Zugeständnis an den Massengeschmack seiner Zeit“ seien sie ohnehin, Georg Büchners Pflanzen- und Luftschwärmereien. Geschrieben habe er sie nur, damit Leonce und Lena der Jury eines Preisausschreibens gefalle, an dem Büchner mit dem Lustspiel teilnahm. Übrigens erfolglos: Weil er den Einsendeschluß verpaßte, bekam Büchner das Manuskript ungelesen zurück.
Romantisch soll ihre Inszenierung der königlichen Liebesgeschichte trotz der Kürzungen sein, beharrt Oosthoek und philoso-phiert: „Liebe hat schließlich etwas mit Seelenverwandtschaft zu tun.“ Vorlagengemäß sträuben sich Prinz Leonce und Prinzessin Lena gegen ihre Hochzeit. Auf der Flucht vor der elterlichen Vermählungswut treffen und verlieben sie sich, um letztlich doch zu heiraten.
Dabei helfen ihnen Leonces Freund Valerio und Lenas Gouvernante. „Eigentlich hätte das Stück Leonce und Valerio heißen müssen“, meint Puck Oosthoek. Zu passiv sei Lenas Rolle, als daß sie im Titel stehen müsse. Behutsam versuchte die Regisseurin deshalb, Büchners Frauenbild zu korrigieren, ohne weit vom Text abzurücken. Lena und ihre Gouvernante dominieren nicht die Handlung. Aber sie sind öfter auf der Bühne zu sehen, als Büchner vorschrieb.
„Ich habe den Vorteil, daß ich aus den Niederlanden komme“, sagt die ausgebildete Choreographin. Mit deutschem Schulunterricht sei auch übertriebener Respekt vor Büchners Stücken an ihr vorbeigegangen. Das habe ihr die Veränderungen erleichtert. Schlicht mutet sie an, Oosthoeks zweite Theater-Inszenierung. Die Bühne ist fast requisitenfrei, und Dramaturg Werner Feig will gestenreiche Gefühlsbezeugungen vermeiden. Die könnten das Stück lächerlich machen, fürchtet er.
Feig ist Büchner-Fan – im Gegensatz zur Regisseurin. Puck Oosthoek mochte Leonce und Lena gar nicht, als sie es zum ersten Mal auf der Bühne sah. Dreimal las Oosthoek den Text, bevor sie die Handlung spannend fand. Mittlerweile findet sie das Stück aktuell, allein wegen Leonce. In ihm trifft Langeweile auf Aggression und Selbstzerstörung – eine Kombination, die Oosthoek heute bei Jugendlichen beobachtet haben will.
Eine Revolution unter den Büchner-Inszenierungen dürfte Leonce und Lena am Altonaer Theater trotzdem nicht sein. „Man kann ja nicht völlig gegen den Text anspielen, nur um krampfhaft etwas neues zu machen“, argumentiert Werner Feig. Dann lieber eng an der Textvorlage entlanginszenieren und ein Lustspiel zeigen, das diesem Namen entspricht. Judith Weber
Premiere: Sonnabend, 8. Februar, 20 Uhr, Altonaer Theater Seminare zu „Leonce und Lena“ am 13. und 20. Februar, jeweils 17-19 Uhr, inklusive Hausführung
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