: Ehrenamtlicher Richter verhaftet
■ Makler wegen Korruptionsverdacht festgenommen. Der ehrenamtliche Richter forderte 105.000 Mark von Beklagtem
Unter Korruptionsverdacht ist am Dienstag abend ein ehrenamtlicher Richter an einer Kammer des Berliner Landgerichts festgenommen worden. Der 50jährige Immobilienmakler soll nach einer Verhandlung über eine Provisionsforderung in Höhe von 755.000 Mark einem Beteiligten angeboten haben, er könne in seinem Sinne auf den Rechtsstreit Einfluß nehmen. Nach Auskunft von Justizsprecher Rüdiger Reiff habe der Makler in einem Telefonat mit dem Angeklagten 5.000 Mark Vorschuß und bei günstigem Ausgang des Verfahrens weitere 100.000 Mark gefordert. Wie Reiff weiter mitteilte, habe der Immobilienmakler die Tatvorwürfe weitgehend gestanden. Er wurde gestern dem Haftrichter vorgeführt.
Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) bezeichnete den Korruptionsfall am Landgericht als „außergewöhnlich“. Auch der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Victor Weber, sagte, nach seiner Kenntnis bedeute dies den ersten Fall des Verdachts von Bestechlichkeit eines Richters in Deutschland. Andere Fälle seien ihm nicht bekannt.
Ebenso überrascht wie Weber zeigte sich Berlins Generalstaatsanwalt Dieter Neumann von dem Bestechungsversuch. Seines Wissens sei der Vorgang in der Justizgeschichte der Nachkriegszeit bislang einmalig, sagte er.
Der Verdächtige war seit zehn Jahren auf Vorschlag der Industrie- und Handelskammer als ehrenamtlicher Richter am Landgericht tätig.
Am 21. Januar hatte er nach Darstellung der Justiz an der Verhandlung über die Provisionsforderung teilgenommen. Daraufhin soll er den Beklagten erstmals angerufen und einen zunächst unbestimmten Geldbetrag gefordert haben. Der Beklagte wandte sich jedoch an die Polizei.
In einem weiteren Telefonat soll dann der Verdächtige die besagten 5.000 Mark als Vorschuß und weitere 100.000 Mark bei einem positiven Prozeßverlauf gefordert haben. Nach der Geldübergabe am Dienstag abend wurde der Mann dann gegen 18 Uhr in seinen Geschäftsräumen vorläufig festgenommen. Die Polizei beschlagnahmte bei der Durchsuchung Beweismittel.
Noch bei seiner anschließenden Vernehmung, erklärte Reiff, habe der Makler die Vorwürfe größtenteils eingeräumt. Als ehrenamtlicher Richter hätte er in einer Kammer für Handelssachen durchaus Einfluß auf den Prozeß nehmen können. In einer solchen Kammer sitzen neben einem Berufsrichter zwei weitere ehrenamtliche Richter, die als Kaufmann, Vorstandsmitglied oder Geschäftsführer tätig sein müssen. Ehrenamtliche und Berufsrichter haben jeweils gleiches Stimmrecht.
In ihrer Stellungnahme wies die Justizsenatorin darauf hin, daß der Verdacht der Bestechlichkeit einen Laienrichter und keinen Berufsrichter treffe. Sie betonte jedoch, daß aber auch Handelsrichter ihre Aufgaben ehrenwert wahrnehmen. rola/dpa
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