: Narrenfreiheit für die schwarze Wildsau
■ SPD-Chef Detlev Albers und der Fraktionsvorsitzende Christian Weber über CDU-Innensenator Ralf Borttscheller
nnensenator Ralf Borttscheller (CDU) hat zugeschlagen – und getroffen hat er die Bremer SPD und das Image Bremens. Beim Neujahrsempfang der CDU in Ganderkesee Mitte Januar hatte der CDU-Senator parteipolitischen Klartext geredet (s. taz v. gestern). Dank des „sozialdemokratischen Filzes und der Korruption innerhalb der SPD“ tummelten sich Drogenabhängige in der Stadt, hatte Borttscheller zum Beispiel getönt. Die Grünen haben nun eine Frage an den Senat gestellt, wie er Borttschellers Ausführungen bewertet. Zur Zeit wird im Rathaus an einer Antwort gebastelt. Wir fragten bei führenden SPD-Politikern nach, was sie vom senatoriellen Auftritt halten.
taz: Was sagen Sie denn zu Borttscheller? So als Untermafioso einer korrupten Truppe?
Christian Weber, SPD-Fraktionschef: Er ist die schwarze Wildsau. Was soll man dazu denn mehr sagen?
Wenn nun ein Senator über den Koalitionspartner herzieht und schlecht über das Land redet...
...es ist peinlich, es ist hochnotpeinlich. Es schadet dem Ansehen des Innenressorts. Es schadet dem Ansehen des Senators. Es schadet dem Ansehen der Freien Hansestadt Bremen, wenn ein Vertreter des Senats in einer befreundeten Nachbargemeinde in dieser schäbigen, widerwärtigen Art über eine Partei herzieht und über ein Land. Ich möchte mal wissen, ob das irgendein Bürgermeister tolerieren würde.
Das bietet vielleicht nach drei Glas Sekt bei einer angeheiterten Menge während eines Neujahrsempfangs Anlaß zur Belustigung und johlenden Beifallsbekundungen, ist aber alles andere als seriös. Das entspricht nicht der Würde des Amtes.
Finden Sie, der Auftritt müßte Konsequenzen haben?
Wir sind nicht die CDU, die ständig den Rücktritt von Senatoren fordert. Wir sind ja einiges von ihm gewohnt. Es paßt wieder in die Folge seiner Rüpeleien.
Nochmal: Man muß ja nicht gleich an Rücktritt denken. Vor der roten kommt die gelbe Karte.
In der Verfassung des Landes Bremen gibt es nicht den Ministerpräsidenten, der ein Durchgriffsrecht hat. Jeder schadet sich, so gut er kann. Hätten wir eine andere Verfassung, dann wäre es allerdings Zeit für die rote Karte.
Sind Sie dafür, das zum Thema des nächsten Koalitionsausschusses zu machen?
Kann man, aber das sind Stilfragen. Und es spricht nicht gerade für Herrn Borttscheller. Sein Auftritt war nicht hanseatisch, eigentlich nicht bremisch. Ich sage nochmal: Es war widerwärtig.
taz: Wie fühlt man sichals Chef einer kriminellen Vereinigung?
Detlev Albers, SPD-Landesvorsitzender: Das hat er ja nicht mal gesagt.
Och, immerhin hat er davon geredet, daß die „Korruption in der SPD“ dafür gesorgt hat, daß sich so viele „Drogenabhängige tummeln“. Es muß ja ein ziemlich korrupter Haufen sein, mit dem Borttscheller koaliert.
Das Ganze beruht offensichtlich auf einer Verwechslung der Jahreszeiten. Der Aschermittwoch von Vilshofen auf unsere Jahreszeit übertragen findet erst am kommenden Mittwoch statt. Und Herrn Borttscheller ist da in weinseliger Laune wohl etwas die Zunge übergegangen. Ich halte die Sache inhaltlich für eine Entgleisung, die ich nur mit Goethe beantworten möchte: Getretener Quark wird breit, nicht stark.
Trotzdem: Kann denn ein Senator einfach so über den Koalitionspartner und das Land herziehen – ohne daß es irgendwelche Folgen hat?
Auch ein Innensenator hat Narrenfreiheit. Darunter bin ich bereit, das Ganze zu akzeptieren. Aber dort, wo eine offene Diffamierung des Koalitionspartners ernsthaft gemeint worden sein sollte, muß die CDU für politische Ordnung sorgen und Herrn Borttscheller zur Ordnung rufen.
Werden Sie die CDU ansprechen, daß sie Borttscheller an die Kandarre nimmt?
Grundsätzlich sollte jeder in seinem eigenen Revier für koalitionsverträgliches Verhalten sorgen. Das werde ich mir erst mal anschauen. Ich bin zwar verärgert, aber die Ordnung schafft Herr Neumann. Übrigens empfehle ich dem Innensenator, seine überfälligen Hausaufgaben zu machen. Diese unsägliche Visumpflicht für in Deutschland geborene Ausländerkinder muß korrigiert werden. Und ich bin schließlich gespannt, wie Herr Borttscheller seine Ankündigung einlöst, daß eine Landespolizei 60 Stellen einspart. Das sind seine ureigensten Aufgaben. Er sollte nicht durch Reisen ins niedersächsische Umland und deplazierte Aschermittwochsreden vergessen, was seine Amtspflichten sind.
Nochmal: Sollte die CDU nun nicht reagieren: Wird die SPD das Thema Borttscheller im Koalitionsausschuß ansprechen?
Ich erwarte, daß die Sache längst im Vorfeld bereinigt wird.
Fragen: J.G.
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