: Innensenator auf der Flucht nach vorn
■ Der entgegen einem OVG-Beschluß abgeschobene Tamer F. kann auf Kosten des Landes wieder nach Berlin zurückfliegen. Mitarbeiterin der Ausländerbehörde hatte Fax des Gerichts nicht weitergeleitet
Der am vergangenen Wochenende rechtswidrig nach Istanbul abgeschobene Türke kann vorerst wieder nach Berlin einreisen. Laut der Sprecherin von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU), Francine Jobatey, erhält der in Berlin geborene und aufgewachsene Tamer F. eine sogenannte „Betretungserlaubnis“. Er darf bis zum Abschluß seines Verfahrens in jedem Fall in Berlin bleiben. Die Kosten für den Rückflug trägt das Land Berlin. Den genauen Zeitpunkt seiner Rückkehr gab die Innenverwaltung bisher nicht bekannt.
Tamer F. hatte in der Jugendstrafanstalt Plötzensee eine zweijährige Haftstrafe wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung und Körperverletzung abgesessen und sollte deshalb ausgewiesen werden. Sein Rechtsanwalt hatte dagegen Beschwerde eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) entschied am Freitag vergangener Woche, daß Tamer F. bis zur endgültigen Klärung nicht abgeschoben werden dürfe. Das OVG informierte daraufhin per Fax den „Notdienst“ der Ausländerbehörde, um das Verfahren zu stoppen. Tamer F. wurde am nächsten Tag trotzdem ausgeflogen (die taz berichtete).
Mittlerweile sind Einzelheiten bekanntgeworden, wie es zu diesem Skandal kommen konnte. Laut Tamer F.s Rechtsanwalt Peter Meyer hatte eine Sachbearbeiterin des „Notdienstes“ das Fax des OVG nicht sofort an die Vollzugspolizei weitergeleitet, da sie nicht davon ausging, daß die Abschiebung am nächsten Tag unmittelbar bevorstand. Die Beamtin versäumte weiterhin, Tamer F.s Namen mit einer Liste aller an diesem Wochenende abzuschiebenden Personen zu vergleichen. Denn in dieser Liste stand auch Tamer F.s Name, der nach dem OVG-Beschluß von der Beamtin hätte sofort gestrichen werden müssen. Die Innenverwaltung wollte sich dazu nicht äußern.
Nach Angaben von Sprecherin Francine Jobatey prüfe die Innenverwaltung jetzt, ob das Land möglicherweise Regreßansprüche stellen werde. Dann müßte, so Rechtsanwalt Peter Meyer, möglicherweise sogar die verantwortliche Beamtin für ihre Fehler zahlen.
Wenn Tamer F. wieder nach Berlin eingereist ist, hängt sein weiterer Aufenthalt von dem endgültigen Beschluß des OVG ab. Fällt dieser positiv aus, kann Tamer F. in seiner Heimatstadt bleiben. Bei einem negativen Ergebnis muß der 19jährige in die Türkei ausreisen. Verweigert er die Ausreise, dann wird er endgültig abgeschoben. In diesem Fall wäre auch vorstellbar, so Peter Meyer, daß Tamer F. vom Land verpflichtet wird, für seine Flugkosten selbst aufkommen zu müssen. Julia Naumann
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