„Öffentlicher Dienst macht Schotten dicht“

■ Der Berliner Wirtschaftsforscher Felix Büchel über die Chancen von Akademikern

Felix Büchel ist Volkswirtschaftler an der Technischen Universität (TU) Berlin. In mehreren Studien forschte er zur „unterwertigen“ Beschäftigung von Akademikern.

taz: Herr Büchel, es wird immer schwerer für Berufseinsteiger, einen ihrer Qualifikation entsprechenden Job zu finden. Bei den Akademikern ist die Arbeitslosenquote aber nach wie vor gering. Geht es denen besser?

Felix Büchel: Nein, die Einmündungsbedingungen für Akademiker in diesem Land verschlechtern sich. Das liegt vor allem am Einstellungsverhalten im öffentlichen Dienst. Der hat früher einen Großteil der Akademiker angestellt: in Verwaltungen, wissenschaftlichen Einrichtungen, als Lehrer. Dort werden die Schotten jetzt dichtgemacht.

Wo landen die Akademiker dann heutzutage? In der Privatwirtschaft?

Ja, zunehmend. Vor etwa zehn Jahren waren im Westen nur wenig mehr als ein Drittel der Akademiker in der Privatwirtschaft beschäftigt, inzwischen sind es fast 75 Prozent.

Aber bietet die private Wirtschaft überhaupt ausreichend Jobs?

Für die Universitäts-Absolventen gibt es vier Möglichkeiten. Entweder sie finden eine ausbildungsadäquate Arbeit. Oder sie melden sich arbeitslos. Das tun aber die wenigsten, weil es mit einem Stigma behaftet ist. Manche ziehen sich auch in die Stille Reserve zurück: in Haushalt und Familie. Andere wiederum möchten unbedingt arbeiten und geben sich dann mit einer second best-Lösung zufrieden. Die sagen, Hauptsache, ich habe einen Job.

Wieviel Akademiker arbeiten denn in sogenannten unterwertigen Jobs, also in Positionen, für die sie ihr Studium eigentlich nicht gebraucht hätten?

Bei den jungen Akademikern unter 30 Jahren, im Westen, sind von allen, die überhaupt eine Arbeit fanden, 20,7 Prozent unterwertig beschäftigt. Diese Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren angestiegen.

Was sind das für Jobs?

Das kann zum Beispiel die Sozialpädagogin sein, die als Erzieherin arbeitet. Der BWLer, der als Buchhalter tätig ist oder einen Pizzadienst aufmacht. Der Philosoph, der Taxi fährt. Letzteres ist aber eher selten. Meist können die Akademiker Kenntnisse aus dem Studium verwerten.

Finden denn Leute mit abgeschlossener Lehre eher eine ausbildungsadäquate Beschäftigung als die Uni-Absolventen?

Bei den jungen Leuten mit Berufsabschluß kommt es seltener vor als bei den jungen Akademikern, daß sie in unterwertigen Beschäftigungen landen. Der Anteil von unterwertig beschäftigten Akademikern ist bei den Älteren allerdings geringer als bei den Jüngeren.

Haben Frauen die gleichen Chancen?

Da gibt es in der Tat gravierende Unterschiede. Im Westen waren von den beschäftigten Akademikern aller Altersstufen 8,1 Prozent der Männer unterhalb ihrer Qualifikation beschäftigt, aber 26,4 Prozent der Frauen. Das hängt zum einen mit der Familienphase zusammen. Frauen entscheiden sich aber auch eher nach Neigung für eine Ausbildung und gehen weniger nach der Arbeitsmarktlage. In den Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften gibt es zum Beispiel erheblich mehr Männer.

Sind Existenzgründungen für Absolventen der Universität, die einen Job suchen, ein Ausweg?

Unter den Selbständigen ist der Anteil der unterwertig Beschäftigten besonders hoch, gerade auch bei den Akademikern. Ein Drittel der selbständigen Akademiker ist unterwertig beschäftigt. Interview: Barbara Dribbusch