: Übergewichtiges aus der Gedichteküche
■ „Das Haar in der Suppe - Moritaten und Küchenlieder“ vom Theater Aderlaß
„Küchenlieder“ sind keine beim Braten dahingeträllerten Arien gelangweilter Köche. Vielmehr sind darunter sensationsgeladene Lieder zu verstehen, die einst Dienstboten ihren hohen Herrschaften in deren Küchen vortrugen. Mehr oder weniger an der Wahrheit orientiert, verbreiteten sich so - entsprechend den Bänkelliedern auf Märkten - Familientragödien und Mordgeschichten oder auch rührende Liebesschmonzetten - als Vorläufer der Yellow Press sozusingen.
Das Theater Aderlaß hat sich dieser bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Formen des Journalismus angenommen. Das Haar in der Suppe bündelt diese grausig-grotesken Moritaten mit höchst ironischen Songs von Georg Kreisler (“Das Mädchen mit den drei blauen Augen“).
Das Theater Aderlaß ist eine freie Gruppe, bestehend aus Christiane Pohle und Rainer Süßmilch. Beide haben in Hamburg Schauspiel studiert und melden sich nach einzelnen Schauspiel-Engagements, unter anderem in Celle und Nürnberg, wieder in der Hansestadt zurück.
In ihrem zweiten Programm (nach „Hochachtungsvoll, der Mann ohne Milz“ 1994) spielen Pohle und Süßmilch zwei Clowns, die auf dem Jahrmarkt Liebesäpfel verkaufen und sich nach und nach in makaber-komische Gesänge hineinsteigern, eben jene blutrünstigen oder kitschigen Moritaten. Zwischendrin eingestreut: „Übergewichtige“ Gedichte, beispielsweise von Ringelnatz, und mörderische Geschichten.
Kabarett? Theater?? oder Chansonabend??? „Es ist schwer einzuordnen. Das Haar in der Suppe kommt schon aus der Theaterecke, ist aber mit kabarettistischen und clownesken Elementen versehen - und viel Musik!“ erklärt Christiane Pohle. Reines Kabarett ist ihr „zu belehrend, weil alles ausgesprochen wird“. Beim Haar in der Suppe ist der Zuschauer also selbst gehalten, die sensationslüsternen Moritaten vergangener Jahrhunderte auf heutige Verhältnisse zu übertragen.
Klaus Rathje
nur am Sonnabend, 8. Februar, 20 Uhr, goldbekHaus/ Halle, Moorfuhrtweg 9
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