: 70 Wodka pauschal
■ All-inclusive-Ferien sind vor allem in der Karibik der Renner der Branche
Das Paradies zum Schnäppchenpreis, ohne Risiko, ohne Zusatzkosten. Mehr Reiseveranstalter denn je versprechen derzeit, den Wunsch wahr zu machen: „All-inclusive-Reise“ heißt das magische Angebot. Für einen festen Preis können Flug, Unterkunft, Vollpension, Snacks, Getränke sowie Sport- und Showarrangements gebucht werden. „Nur für die bunten Ostereier müssen die Gäste selber Sorge tragen“, lockt ein Veranstalter im März in den spanischen Süden.
Das Geschäft mit den All-inclusive-Reisen boomt mittlerweile nicht nur in der Karibik. Auch rund ums Mittelmeer oder sogar in Österreich verlegen sich Hotels auf solche Angebote.
Für einige Gastländer werden diese Reisen inzwischen zum Alptraum. Zentren des All-inclusive- Tourismus sind nach wie vor die Dominikanische Republik und Jamaica. In abgesteckten Arealen, die selbst von Veranstaltern als „Ghettos“ bezeichnet werden, tummeln sich dort die Pauschalreisenden. Von früh bis spät kann der Urlauber dort für seinen Festpreis konsumieren – bis hin zu den Zigaretten. In der Dominikanischen Republik seien mittlerweile 50 bis 60 Prozent aller Angebote all inclusive, schätzt TUI-Sprecher Bernd Rimele. Der Trend, der ursprünglich aus den USA kam, setze sich weiter durch. Hier kann sich der Urlauber sicher fühlen. Die unbekannte und fremdartige Umgebung muß er gar nicht erst erkunden, denn alles, was sein Herz begehrt, steht innerhalb des „Ghettos“ zur Verfügung. Für das Zielland sei dieses Gebaren „ziemlich katastrophal“, meint indes Halo Saibold, Vorsitzende des Tourismusausschusses im Bundestag. Besitzer von Restaurants, Taxifahrer oder Souvenirhändler vor Ort hätten keine Chance mehr, etwas zu verdienen, kritisiert die bündnisgrüne Politikerin. Auch Martin Stäbler von der Organisation Tourism Watch fragt sich, warum die Touristen so weit fliegen, um dann nur in der Sonne zu liegen, zu essen und zu trinken.
Obendrein verleite all inclusive manche Touristen zu Exzessen. In einem Hotel in der Türkei zum Beispiel habe ein Tourist an der Bar für sich allein 70 Wodka- Orange bestellt. Erst nach längerer Diskussion habe sich der Mann, der sich darauf versteifte, er habe doch bezahlt, auf 35 Drinks herunterhandeln lassen. Auch die Veranstalter räumen ein, daß diese Urlaubsform ihre Schattenseiten hat, so eine Sprecherin des Deutschen Reisebüro-Verbandes in Frankfurt am Main. Doch solche Anfälle von Konsumrausch regulieren sich ihrer Ansicht nach von selbst: „Man kann einfach nicht mehr als essen und trinken.“ Bei L'tur betont eine Mitarbeiterin, es komme auf das jeweilige Angebot an. Die Dominikanische Republik sei eben das Mallorca der Karibik, dagegen sei St. Lucia eher exklusiv. Den Schaden für die heimische Wirtschaft räumen alle ein. Inzwischen machen die Verbraucherschützer mobil: Denn vom Boom bei den All-inclusive-Reisen versuchen ihrer Ansicht nach auch einige Schwarze Schafe zu profitieren. Urlaub ohne Extrakosten gebe es nicht überall, mahnt etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Bei manchen Angeboten zum Beispiel gibt's nur lokale alkoholische Getränke und Softdrinks und auch nur in der Zeit zwischen 10 und 24 Uhr kostenlos. Frühaufsteher oder Nachtschwärmer müssen drauflegen.
Gewinn machen mit All-inclusive-Reisen aber auf jeden Fall die Hotels. Die Düsseldorfer Verbraucherschützer rechneten die Kosten des Veranstalters für die Snacks und Drinks außerhalb der Mahlzeiten aus: „Um die Kunden zwischendurch mit Happen und Getränken zu verwöhnen, braucht's in der Karibik und in Afrika pro Tag und Person nicht mal zehn Mark.“ AP
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