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Auch von Büchern wird man satt Von Ralf Sotscheck

Die Wochen nach Weihnachten sind für den britischen Einzelhandel eine Zeit des Horrors. Die meisten Familien sind damit beschäftigt, den Weihnachtstruthahn und die Kosten für das Fest der Liebe verdauen. Für akademische Buchhandlungen ist das besonders bitter: Studenten haben keinen Pfennig mehr übrig für Fachbücher.

Dillon's und Blackwell's, die beiden größten akademischen Buchhandelsketten Großbritanniens, haben umgerechnet mehr als eine Viertelmillion Mark für eine Werbekampagne lockergemacht, um die Kundschaft an die Ladenkassen zurückzuführen. Im Mittelpunkt steht dabei freilich nicht geistige Nahrung, sondern handfestere Kost.

Jane Carr, Werbemanagerin bei Dillon's, wartete mit einem verblüffenden Untersuchungsergebnis auf: „Unsere Marktanalyse hat ergeben, daß Studenten ein sehr begrenztes Budget haben.“ Wer hätte das gedacht? Frau Carr hat ihre Feldforschung sogleich in die Praxis umgesetzt: „Statt Bücher zu verkaufen, müssen wir den Studenten klarmachen, daß sie für ihr Geld etwas geboten bekommen. Es ist wichtig, den Studenten zu zeigen, daß wir uns mit ihnen identifizieren.“ Also drückt man ihnen bei Dillon's eine stabile Papiertüte mit Bleistiften und Bieruntersetzern in die Hand, wenn sie ein Buch kaufen. Das ist nützlich: Ein Bier gehört auf einen Untersetzer, damit das akademische Buch nicht naß wird. Wenn man zuviel trinkt, kann man in die stabile Papiertüte kotzen. Und einen Bleistift braucht sowieso jeder. Blackwell's geht noch einen Schritt weiter: Die Ladenkette gibt zu jedem Buch eine Dose „Baked Beans“ hinzu. Außerdem verlost das Unternehmen Gutscheine für einen Supermarkteinkauf im Wert von umgerechnet 4.000 Mark.

Jane Carr trauert der guten alten Zeit nach. „Früher haben Studenten 20 Bücher auf einmal bestellt“, sagt sie, „heute kaufen sie längst nicht mehr die gesamte Liste der vom Professor empfohlenen Bücher.“ Die Studentengewerkschaft veröffentlichte jedoch Zahlen, wonach Studenten noch immer umgerechnet mehr als tausend Mark im Jahr für Fachbücher ausgeben. Allerdings müssen viele in den Semesterferien dafür arbeiten, weil die Zuschüsse zusammengestrichen wurden. Es gebe eben zuviele Studenten, seufzte sie.

Nun ist die britische Regierung auf einen Wahlkampftrick verfallen, womit sie gleich an mehreren Fronten Pluspunkte sammeln kann: Die Studenten sollen für jedes Buch, das sie kaufen, dieselbe Gewichtsmenge britischen Rindfleisches erhalten – wahlweise als Steak, Rinderhack oder Pastete. Von Joyce' „Finnegans Wake“ könnte ein Literaturstudent wochenlang zehren, wer dagegen das Sozialprogramm der Tories zum Thema hat, muß doppelt darben.

Langfristig ein kluger Schachzug der Tories, bekommt man dadurch doch mehrere Probleme auf einmal in den Griff: Der Berg der 1,1 Millionen Kühe, die im Zuge der Rinderwahnsinnsbekämpfung getötet worden sind, wird zügig abgebaut, ohne daß man die lästigen Krematoriumskosten bezahlen muß; die Bauern sind zufrieden, und letztendlich bereitet dadurch auch die Akademikerschwemme keine Kopfschmerzen mehr: Die vom Rinderwahn dahingerafften Studenten können sich immerhin noch in der Creutzfeldt-Jakob- Forschung nützlich machen.

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