Das Portrait: Mehr als nur die Ehefrau
■ Inge Jens
Erst seit kurzem hat Inge Jens einen Nachnamen. Bevor sich das Ehepaar selbst als auch Justiz und Presse um die unabhängige Nennung der Ehefrau bemühten, tauchte sie regelmäßig nur als „und Frau Inge“ auf. Dabei ist Inge Jens schon lange erwachsen; immerhin wird sie heute siebzig. Zudem hat sie sich mit ganz anderen Dingen befaßt als ihr Mann und selbsterkorener Rhetor germaniae Walter. Die Chronistin, Literaturhistorikerin und Editorin hat sich besonders mit der Herausgabe von Briefen und Tagebüchern Thomas Manns einen Namen gemacht. Marcel Reich-Ranicki, der sie inzwischen qua Sippenhaftung nicht mehr ausstehen kann, lobte Inge Jens' editorischen Anhang in Manns Tagebüchern als „einzigartiges Nachschlagewerk, eine Fundgrube“.
MRR war es auch, der bereits 1971 ihrem Band „Dichter zwischen rechts und links“ die Rolle eines „Schlüsselwerks“ zumaß. In ihrer „biographischen Skizze“ von 1994, „Vergangenheit – gegenwärtig“, behauptet die gebürtige Hamburgerin jedoch ganz bescheiden, daß ihre Ehe mit Mann Walter und die Freundschaft mit so vielen deutschen Nachkriegsgrößen der Literatur sie gelehrt hätten, daß sie es weder in der Poesie noch in der Kritik „zu adäquaten Leistungen bringen würde“. Dennoch sei das Edieren von Texten kein Kompromiß: „Nein, mehr!“ Schließlich gehe es darum, „im Wechselspiel von Erkenntnis und Erfahrung Geschichte so zu veranschaulichen, daß sie Gegenwart mit- bedeutet“.
Doch auch in der Gegenwart läßt Frau Jens als große Unterzeichnerin von Manifesten grün-liberalen Inhalts – hier wiederum regelmäßig mit Mann Walter – weniges unkommentiert. Eine zehnminütige, „spontane“ Sitz- rast vorm Mutlangener Raketendepot machte sie auch als Aktivistin der Friedensbewegung bekannt und kostete sie 700 Mark (Walter: 3.000 Mark). Das Amtsgericht Tübingen ließ Jensens 1994 dafür, daß sie während des Golfkriegs zwei Deserteure der US-Armee zwei Wochen lang bei sich in Tübingen untergebracht hatten, mit 6.600 Mark büßen, obwohl sie laut eigener Aussage lediglich „als Christenmenschen“ gehandelt hatten. Da Inge die größere Pazifistin von beiden ist, wird diese HeldInnentat gerne auf ihr Konto gebucht. Zuletzt wurde ihr Name unter der „Erfurter Erklärung“ vom Anfang dieses Jahres gesehen. Ulrike Winkelmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen