Arbeitslose Bauarbeiter belasten Bundeskasse

■ Bis zu zwei Milliarden Mehrausgaben. Rückkehr des Schlechtwettergeldes?

Berlin (taz) – Die rapide angestiegene Zahl von arbeitslosen Bauarbeitern werfen die Pläne des Blüm-Ministeriums über den Haufen. Die Regelung des Überbrückungsgeldes, das vor einem Jahr Schlechtwettergeld ablöste, gilt schon nach dem ersten Winter bei den Tarifparteien als gescheitert. Von den jüngst gemeldeten 400.000 arbeitslosen Bauarbeitern wurden 220.000 „witterungsbedingt“ entlassen. Arbeitnehmer und Gewerkschaften fordern die Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes, während Arbeitgeberverbände auf neue Tarifeinigungen hoffen.

Bis vor einem Jahr erhielten die Bauleute in der Zeit von November bis März für jeden Tag, an dem wegen schlechten Wetters nicht gearbeitet werden konnte, von der Bundesanstalt für Arbeit 68 Prozent des zuletzt gezahlten Lohnes. Um die dabei anfallenden 700 bis 900 Millionen Mark einzusparen, verpflichtete die Bundesregierung die Firmen, die ersten 150 Ausfallstunden zu 75 Prozent selbst zu bezahlen – danach kommen die Arbeitsämter für den Lohnausfall auf. Dies führte zu einer Kündigungswelle, die das Arbeitsamt diesen Winter etwa zwei Milliarden Mark kostet. Das Arbeitsministerium erklärte deshalb zu Jahresbeginn, witterungsbedingte Kündigungen verwirkten das Recht auf Arbeitslosengeld.

„Die Regelung wird von den Betrieben nicht angenommen“, erklärte Norbert Nickel vom Fachverband Bau Berlin und Brandenburg. Im Klartext: Die Firmen unterliefen die Tarifbeschlüsse von Anfang an. Durch Kündigungen zum Winterbeginn entzogen sie sich der Zahlung des Überbrückungsgeldes. Statt dessen gaben sie den entlassenen Bauarbeitern Wiedereinstellungszusagen für den Frühling. Solche einvernehmlichen Kündigungen sieht das Arbeitsamt als selbstverschuldete Arbeitslosigkeit an und zahlt drei Monate lang nicht. „Diesen Winter haben wir noch gezahlt“, berichtet Karsten Marzian im Arbeitsamt Nord, zuständig für Schleswig- Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. „Wir konnten die Leute ja nicht auf der Straße stehenlassen.“ Doch ab jetzt halte sich seine Behörde strikt an die Devise des Staatssekretärs im Arbeitsministerium, Werner Tegtmeier: Das Zahlen von Arbeitslosengeld bei witterungsbedingten Kündigungen – wo sie nachgewiesen werden können – gilt als Tarifverstoß.

„Das Schlechtwettergeld muß wieder her“, fordert daher Werner Köhler, Sprecher der IG Bau Steine Erden. Die Arbeiter seien inzwischen davor gewarnt worden, sich auf Kündigungen mit Wiedereinstellungszusage einzulassen.

Peter Ramsauer, sozialpolitischer Sprecher der CSU, plädierte gestern im Handelsblatt für eine modifizierte Form des Schlechtwettergeldes. Im Sommer könnten 110 Mehrstunden angesammelt werden, die dann im Winter „abgebummelt“ werden. Der CSU-Politiker erwartet davon eine Flexibilisierung der Arbeit, ein das ganze Jahr gesichertes Einkommen für den Arbeitnehmer, Einsparungen des Arbeitsamtes sowie eine Verbesserung der Arbeitslosenstatistik. Norbert Nickel äußerte sich gegenüber der taz skeptisch zu den Vorschlägen. „Das funktioniert nur, wenn die Auftragslage im Sommer entsprechend gut ist.“ Aber zu optimistischen Prognosen in der Baubranche will sich derzeit niemand hinreißen lassen. Leif Allendorf

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