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Für Mieter ist manchem nichts zu teuer

Großinvestor Büll & Liedtke will Ottensen weiter verschönern  ■ Von Heike Haarhoff

Die Mercadisierung in Ottensen schreitet voran. Dem Einkaufszentrum auf dem ehemaligen Hertie-Gelände am Bahnhof Altona sollen nach dem Willen der Mercado-Eigentümer weitere Geschäfts- und Wohnhaus-Neubauten folgen. Die Hamburger Investoren Büll & Liedtke haben beim Altonaer Bezirksamt bereits entsprechende Bauanträge eingereicht.

Die rund 150 Jahre alten und durch Kriegsschäden verschandelten Saalhäuser an der Kreuzung Große Rainstraße (Nr. 8-16) und Ottenser Hauptstraße (Nr. 18-20) sollen baldmöglichst abgerissen und durch vier- bis fünfstöckige Wohnhäuser mit Geschäften und Büros in den Erd- und ersten Geschossen ersetzt werden. „Wir schaffen so 35 neue Wohnungen“, schwärmt Büll & Liedtke-Sprecher Ludger Inholte.

Renovierung und Aufstockung der maroden Gebäude, die „selbstverständlich auch von uns untersucht worden sind“, hätten sich als „unwirtschaftlich“ erwiesen. Denn erstens sei Modernisierung extrem kostspielig, und zweitens könnten in den Neubauten mit moderneren Grundrissen weitaus mehr Menschen Wohnraum finden.

„Spekulationsabsichten“ unterstellen dagegen viele Alt-Mieter den Hauseigentümern. Die Umstrukturierung des Stadtteils sei von langer Hand geplant gewesen. Kaum sei Büll & Liedtke vor Jahren der Erwerb des Hertie-Geländes und der Mercado-Bau gewiß gewesen, hätten die Investoren alles daran gesetzt, benachbarte Gebäude aufzukaufen.

„Daß unsere Mieten extrem steigen und viele Altmieter deshalb ausziehen müssen“, liege auf der Hand, klagt Kurt Pollei. Seit 20 Jahren wohnt der Ottenser in der Großen Rainstraße 8; „260 Mark für 100 Quadratmeter, das kriege ich doch nie wieder“, weiß er. „Unser Geschäft“, beklagt ein Ladeninhaber, „wirft einfach nicht mehr ab, als daß wir uns eine höhere Miete leisten könnten“. Nicht nur er befürchtet, daß deswegen künftig große Laden- und Handelsketten die kleinen Einzelläden vertreiben.

„Mit uns Mietern“, sagt Kurt Pollei resigniert, „hat Büll & Liedtke nicht einmal über eine mögliche Lösung gesprochen“. Inholte bestreitet das: „Wir stehen mit den Mietern in Kontakt, es wird keine Wucherpreise geben.“ Während der Bauzeit könnten die Mieter in benachbarte B & L-Wohnungen einziehen; die Neubauten würden ihnen als erste angeboten.

An dem Abriß aber, so scheint es, führt tatsächlich kein Weg vorbei. „Baurechtlich“, ergänzt Gerhard Salow, Leiter der Altonaer Bauprüfabteilung, „steht den Neubau-Planungen nichts im Weg“. Deshalb sei davon auszugehen, daß der Bauausschuß bei seiner nächsten Sitzung im März dem Büll & Liedtke-Antrag stattgeben werde. Die GAL hat allerdings bereits angekündigt, ihre Zustimmung davon abhängig zu machen, daß zunächst eine „tragbare Lösung“ zusammen mit den Mietern ausgehandelt wird.

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