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Ein Sieg in aller Ruhe

■ Nicht Alberto Tomba, sondern Michael von Grünigen gewinnt wie erwartet den WM-Riesenslalom von Sestriere

Er stand da, die Beine breit – und führte den Finger zur Stirn. Wen meinte Alberto Tomba? Den Kurssetzer, der es gewagt hatte, einen selten unrhythmischen Lauf zu kreieren? Sich selbst, weil er ein Tor nicht gekriegt hatte? Jedenfalls war es so, daß die Unterstützung von 25.000 gestern in Sestriere genauso wenig genutzt hatte wie die exklusive Wolldecke oder das exklusive Schneemobil, mit dem er die Waldschneise hoch zum Starthäuschen gejettet war.

War ja klar, daß Tomba (30) nichts reißen würde, sagen nun alle. Gerade an einem Riesenslalom hatte er sich in diesem Weltcupwinter versucht. Zugegeben: Es war wahrscheinlich, daß es so kommen würde, wie es kam. Aber eigentlich warteten alle auf das Gegenteil. Und ganz sicher war doch keiner bei Alberto gewesen. Hatte er nicht im vergangenen Jahr auch sehr überraschend WM-Gold in dieser Disziplin geholt?

Gewonnen hat jedenfalls der Berner Oberländer Michael von Grünigen. Auf einem höchst selektiven Kurs distanzierte er in 2:48,23 min die Konkurrenz um mehr als eine Sekunde. Der Norweger Lasse Kjus (2:49,35) holte seine dritte Silbermedaille, Andreas Schifferer schaffte mit Laufbestzeit im zweiten Durchgang Bronze und brachte damit ein klitzekleines Lächeln auf erfolgsentwöhnte österreichische Gesichter.

Seinen Vorsprung hatte von Grünigen sich im ersten Durchgang besorgt, als er mit der Startnummer 1 der einzige war, der seinen Rhythmus trotz des wenig runden Kurses fand. „Ich dachte, im ersten Lauf wäre noch mehr drin gewesen“, sagte von Grünigen. Es war genug.

Der Schweizer ist seit zwei Jahren der mit Abstand beste Riesenslalomfahrer. Er gilt als der Skifahrer, der früher als alle anderen seine Schwünge abschließt und damit bereits in der Kurve beschleunigen kann. Im vergangenen Jahr hatte er alles gewonnen, nur die WM nicht. Diesmal kam er nur mit zwei Saisonsiegen, aber einer ungleich besseren seelischen Verfassung. „Es war schon immer mein Traum“, sagte er, „eine WM- Goldmedaille zu gewinne.“

Er sagte es, wie man ein Bier bestellt. Von Grünigen (28) ist ein Gegenentwurf zu Tomba. Bauernsohn, früh Vollwaise, reist er heute mit Frau und Kind, redet lieber ein Wort zuwenig als eins zuviel. „Vielleicht“, sagte er im Zielraum, „ist es so, daß ich nur auf Skiern aus mir herausgehen kann.“

Das Problem hat Alberto Tomba nicht. Der hofft auf den Slalom am Samstag. „Ich habe super trainiert“, sagt er. Tomba wähnt sich „in Bestform“. Und dann? „Meine Mama sagte immer, ich solle Schluß machen.“ Vater Tomba allerdings will, daß er weitermacht. Was wird Alberto tun? Vorläufig weiß er nur, daß er sich „nicht mehr wie ein Kind behandeln lassen will“. taz

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