■ Querspalte: Curry ohne Worte
Bei Knopfdruck Currywurst! Ein Alptraum, ein Horrorszenario? Weit gefehlt. Ab 1998 schnöde Realität. Statt eingehüllt von anästhesierenden Schwaden alten Fettes im Angesicht eines professionell übellaunigen Berliner Wurstbräters seine Curry zu schlucken, wird man für das Hauptstadt-Nationalgericht künftig Kleingeld bereithalten müssen. Wird verzichten müssen auf die Imbiß-Kurzkommunikation zwischen Wurst-Stammgast und Wurst-Bräter („Und, wie?“ „Muß ja!“).
Die Zukunft ist wortlos: Geld einwerfen, schweigen, Tastendruck, bitte warten, schweigen, essen.
Schuld an der Misere ist Spanien, wo sich die Firma „Patatas Chef“ vorgenommen hat, ins Herz der Berliner Identität zu treffen und die Stadt mit Currywurst-Automaten zu bestücken. Erst zerstören die Franzosen mit Decaux' Automatiktoiletten das zum gelblichen Mythos geronnene Berliner Eckenpinkeln.
Jetzt kommt der Spanier. Was nur als grausame Antwort auf die alljährliche teutonische Belagerung der spanischen Urlaubsinseln verstanden werden kann. „Patatas Chef“, daran ist kein Zweifel, hat den Angriff auf des Berliners Leib und Seele generalstabsmäßig geplant und schon mehrere Pommes-Automaten als Vorhut aufgestellt: Taste rot – Ketchup, Taste gelb – Majo. Oder beides. Ausgabezeit pro Portion: eine Minute.
Eine in aller gebotenen Dringlichkeit durchgeführte, nicht repräsentative Umfrage mit dem Ziel, die Stimmung in der Imbißbesitzer-Szene zu testen, ergab: Der anonym dargebotenen Currywurst wird mit Gelassenheit, ja Wurstigkeit entgegengesehen. Imagefördernde Maßnahmen sind ebensowenig vorgesehen wie Rezeptoptimierungen. Die Perspektiven für „Patatas Chef“ sind hingegen nicht glorreich. Ob bis zur Jahrtausendwende mit dem ersten Döner-Kebab-Automaten zu rechnen ist? Mit der Extrataste „Ohne Zwiebeln“, „Mit Knoblauchsauce“, „Ohne Knoblauchsauce“? Was uns noch bleibt? Eisbein. Alexander Musik
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen