piwik no script img

Hopfen und Malz nicht verloren

Bavaria-Brauerei: Voscherau will mit Konsortium die 500 bedrohten Arbeitsplätze retten. Hoffnung und Widerstand gären  ■ Von Heike Haarhoff

„Wir wollen Aaarbeit!“ Zornig brüllten sich 400 versammelte Beschäftigte der Bavaria St. Pauli Brauerei ihre Existenzängste aus dem Leib. Das am Donnerstag vom Dortmunder Mutterkonzern Brau und Brunnen beschlossene Aus für die 350 Jahre alte Traditionsschenke auf dem Kiez wollen sie nicht kampflos hinnehmen. Die Produktion ruht. Mindestens bis Montag. Den ganzen Tag war gestern außerordentliche Betriebsversammlung in der Kantine. Von einer zunächst angekündigten Betriebsbesetzung wird abgesehen. Noch.

„Wir sind keine Randalierer“, erklärte Betriebsratschef Werner Henne. Zunächst werde auf Verhandlungen gesetzt. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG) fordert einen Tarifvertrag zur Standortsicherung. Erst wenn diese Druckmittel versagen, könnte es zu Warnstreiks und mehr kommen. Gefürchtet wird allerdings, daß die Brauerei dann bereits vor Jahresende schließt.

Am Nachmittag kam überraschend der Erste Bürgermeister zu den aufgebrachten Brauern. Mut will er ihnen machen und dem Dortmunder Getränkekonzern „noch heute“ den Vorschlag, die Bavaria-Brauerei zu verkaufen, anstatt sie stillzulegen. „Standort und Belegschaft“, fordert Henning Voscherau, „müssen hier bleiben.“ Donnernder Applaus.

Voscherau schwebt eine Übernahme durch eine andere Brauerei oder ein Firmenkonsortium vor. Schriftlich fordert er Vorstand und Aufsichtsrat von Brau und Brunnen auf, das Unternehmen „aus dem Konzern freizugeben und den Weg der Rettung durch einen angemessenen Beitrag zu ermöglichen.“

Wie er das angesichts der angespannten Wirtschaftslage umsetzen will? Die Frage bleibt unbeantwortet. Macht aber nichts. Was für die Belegschaft gestern zählte, war, daß der „Landesvater“ die Bavaria zur Chefsache erklärte. Der Wirtschaftssenator hatte seinen Staatsrat nach St. Pauli geschickt. Denn die Brauer tragen es ihm nach, daß er sein Verhandlungsgeschick überschätzt und vollmundig eine Verschiebung der Entscheidung angekündigt hatte.

Die regierende SPD im Bezirk Altona beschloß unterdessen, das Baurecht für das Elbschlößchen-Gelände in Nienstedten zur Strafe nicht zu verändern. Spekulationsgeschäfte des Getränkekonzerns mit der Immobilie in Sahnelage sollen nicht vergoldet werden. „Damit ist das Elbschloßgelände praktisch wertlos“, schwört Fraktionschef Horst Emmel Rache.

Gleichzeitig laufen die Übernahme-Verhandlungen zwischen Brau und Brunnen und der Hamburger Holsten-Brauerei als interessierter Käuferin weiter (siehe Interview). Für die Bavaria-Belegschaft ist das keine Lösung: Höchstens 50 der 500 Arbeitsplätze blieben erhalten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen