: Informative Subversion
■ Das Berliner Hanf-Museum zeigt die Vielfalt der Nutzpflanze Cannabis
Es sind nur ein paar Schritte zu Fuß bis zum Roten Rathaus: In einem der eklektisch antikisierenden Honecker-Neubauten, wie sie im Nikolaiviertel üblich sind, befindet sich seit Dezember 1994 das Hanf-Museum. Ausgerechnet am Mühlendamm 5 quartierten sich die Cannabis-Protagonisten Eva Hodge und Rollo Ebbinghaus ein, obwohl man mit einem solchen Ausstellungshaus doch eher in einem Kreuzberger Hinterhof rechnen würde.
So hatten sich Hodge und Ebbinghaus das zwar auch selbst vorgestellt, aber die gute Lage und die für das Projekt geradezu maßgeschneiderten Räume lockten: Zu DDR-Zeiten wurden sie vom Handwerksmuseum genutzt, dadurch fielen aufwendige Umbauarbeiten gar nicht erst an. „Besonders hatte es uns die Vitrine angetan. Uns war sofort klar, was da gepflanzt wird“, erinnert sich Hodge. Zehn THC-arme Cannabis-Stauden sind dort hinter Glas verwahrt – unter der strengen Auflage, jeden Diebstahl sofort an die Polizei und das Institut für Arzneimittel zu melden.
In den Räumen des Museums erfahren die Besucher alles über Hanfanbau, Weiterverarbeitung und die Geschichte der Vielfalt von Anwendungen, zu denen Cannabis taugt. So wird etwa erstaunt zur Kenntnis genommen, daß die alten Ägypter mit aufquellenden Hanfseilen die Steinblöcke absprengten, aus denen die Pyramiden gebaut wurden. Der Fußballfan stolpert über gültige Richtlinien des DFB, nach denen die Netze des Fußballtores entweder aus Plastik oder aus Hanf zu sein haben (tertium non datur). Daß Hanf noch zu Anfang dieses Jahrhunderts keine Tabupflanze war, zeigen Kinderbücher, in denen der vielfältige Nutzen der Pflanze in niedlichen Reimen gepriesen wird.
Das Museum informiert ebenso über die aktuellen Hanfanbau- Projekte der Humboldt-Universität wie auch über die Verwendungsmöglichkeiten des Hanfes in der Medizin, im Baugewerbe und nicht zuletzt als religiöses Rauschmittel.
Eine Kollage von Haschischpapst Wolfgang Neuss und ein Raum, der die Rechtslage der Hanfnutzung in Deutschland darstellt, runden die Ausstellung ab.
Spätestens hier wird deutlich, was den Charme des Hauses ausmacht: Es ist diese Mischung aus handwerksgeschichtlicher Ausstellung und Subversion gegen ein borniert künstliches Tabu, die den Kiffer hier zum landwirtschaftlich interessierten Kulturtouristen werden läßt. Dabei besteht das Publikum keineswegs nur aus Haschern mit Bob-Marley-T-Shirt. „Vor allem Schulklassen und andere Gruppen, wie etwa Seniorenkreise und Naturfreunde, besuchen uns“, klärt Eva Hodge auf. Meist seien es die Schüler, die den Vorschlag machen, einmal herzukommen – die Lehrer freuten sich dann, daß die Kids sich tatsächlich mal für etwas interessieren.
Gerade die älteren Menschen würden übrigens in ihrem subversiven Potential unterschätzt. Hodge: „Es kommen viele alte Menschen her. Wir wissen von einer ganzen Reihe betagter Damen, die Hanf in ihrem Garten anbauen. eine von ihnen hat mir neulich erzählt, daß ihre Rosen keine Schädlinge mehr haben, seit sie Cannabis zwischen die Stöcke gepflanzt hat.“
Im Keller des Museums wurde ein Galerie-Café eingerichtet, in dem man sich noch bis April an den Bildern der Niederländerin Martine Stieger erfreuen kann. Außerdem ist hier jeder dazu eingeladen, zu lesen und Kaffee zu trinken oder sich Videos zum Thema Hanf anzusehen.
Reich wird in dem Unternehmen Hanf-Museum allerdings niemand. „Auch die taz hat uns schon die baldige Pleite prophezeit. Aber wie man sieht, gibt es uns immer noch“, freut sich Hodge. Das ist in erster Linie dem Engagement der Mitarbeiter und PraktikantInnen zu danken, denn die Einnahmen aus Eintrittsgeldern und Verkaufserlösen aus dem Museumsshop, wo zahlreiche Hanfprodukte und Zeitschriften feilgeboten werden, reichen gerade einmal für Miete und Betriebskosten. Bis auf eine ABM-Kraft und Dreimarkjobs von Sozialhilfeempfängern wird der Betrieb in ehrenamtlicher Arbeit aufrechterhalten. Besonders freuen sich die Betreiber, daß im Rahmen des Alternativschulprojekts „Stadt als Schule“ regelmäßig Praktikanten mitarbeiten. Die Jugendlichen, die in der Regelschule nicht zurechtkamen, verbringen jede Woche drei Tage im Museum und gehen für zwei Tage in die Schule. Auf diesem Wege können sie ihren Haupt- oder Realschulabschluß machen.
Auch wenn für die Arbeit nicht viel ausgegeben werden muß, ist doch zum 1. jedes Monats eine üppige Gewerbemiete fällig, und Fördermittel bezieht das Hanf-Museum nicht. Deshalb wirbt das Museum neuerdings, quadratmeterweise Patenschaften zu übernehmen. Die erste Firma, die einen Quadratmeter mit 300 Mark im Jahr unterstützt, ist schon gefunden.
Eva Hodge, die selbst nur so viel Zeit in das Museum investieren kann, weil sie arbeitslos ist, erklärt: „Andere Kultureinrichtungen, die gefördert werden, müssen nur 20 Prozent ihrer Ausgaben erwirtschaften, wir dagegen müssen alles selbst aufbringen.“
Doch die Betreiber blicken optimistisch in die Zukunft. Augenzwinkernd outen sich Hodge und Ebbinghaus als Waigel-Fans: „Die von der Bundesregierung geplante Steuerreform können wir nur begrüßen. Wenn die in Kraft tritt, bleiben Spenden an Museen eine der wenigen Möglichkeiten, Ausgaben von der Steuer abzusetzen. Davon werden wir profitieren.“ Martin Kaluza
Hanf-Museum, Mühlendamm 5, 10178 Berlin, Öffnungszeiten: Täglich 10–20 Uhr, Tel. 2424827
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