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■ Courtney LoveAbsolut sie selbst ganz oben

Sie war unbeliebt. Galt als häßlich, schlampig, obszön, nicht umgänglich, als schlechte Mutter. Ihr greller Lippenstift saß nie präzise, und die Baby-Doll-Träger auf ihren knochigen Schultern rutschten auf der Bühne immer in Richtung Boden. Sie prügelte sich, wenn das Publikum die ungeheure Wichtigkeit von Hole, ihrer Band, nicht angemessen würdigte.

Ihr Mann Kurt Cobain hatte sich erschossen – daran mußte sie doch eine Aktie gehabt haben. Sie war ein Junkie – und vielleicht ist sie das noch –, eine ramponierte Heroine und sprach seit Jahren nicht mehr mit ihrer Mutter. Dafür hatte sie Gründe, die keiner hören wollte. Sie war auf jeden Fall unmöglich. Das Jugendamt rückte zweimal in ihrem Haus in Seattle ein und drohte ihr die kleine Tochter Frances wegzunehmen.

Courtney Love gelobte, sich zu bessern und fortan eine halbwegs positiv definierte Mutter abzugeben. Sie unterzog sich diesem und jenem Entzug und werkelte an den Modekollektionen mit, die Kim Gordon (Sonic Youth) für gepiercte, wütende, junge Frauen entwarf. Sie nahm ihre Tochter immer mit, wenn sie auf Tournee ging, und engagierte ein als qualifiziert geltendes Kindermädchen.

Courtney rüpelte Stewardessen an, wurde behördlicherseits ermahnt, suchte sich eine neue Aufgabe als Schauspielerin. Eventuelle Zusammenhänge mögen konstruiert sein, aber nicht ganz zufällig. Sie erregte wieder Aufsehen – als Schauspielerin, denn sie spielte unglaublich, nämlich antithetisch und organisch zugleich – fragil, roh, blutig, warm. Vielleicht lag es nur an ihrem Erfolg und ein wenig auch an den gut positionierten Freunden – Madonna, Michael Stipe von R.E.M. –, daß man sie plötzlich schöner, sogar „reifer“ fand. Sie setzte ihren exzentrischen Schlampenlook durch und durfte ihre Tochter behalten. Sie wählte Soundtracks wie den für „Tank Girl“ aus und gab Geld für Filme, die „Not Bad For A Girl“ heißen. Sie brachte ihre Haare in eine gesellschaftlich akzeptiertere Unordnung und posierte für Vogue. Ihre Althea Flynt in „Das Volk gegen Larry Flynt“ verschlug Publikum und Kritikern gleichermaßen den Atem. Sie hat es geschafft – sie ist ganz sie selbst ganz oben. Sie ist absolute Gegenwart und doch vollkommen Zukunft. Anke Westphal

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