Wand und Boden
: Des stocksteifen Herberts Erzählungen

■ Kunst in Berlin jetzt: Heidi Specker, Christian Maurer, Jan Mende, Jan Lilienthal

Es ist ein ganz bestimmter Bautypus, dem Heidi Speckers Interesse gilt. Ob es um Brüssel oder Berlin geht, um Europaratsgebäude oder Außenministerien, auf den Tintenstrahldrucken in der Galerie Gebauer und Thumm erscheinen ausschließlich Bauten der sechziger und frühen siebziger Jahre. Simple modernistische Kästen, deren vorgehängte Fassaden mehr oder minder protzige, plastisch-geometrische Muster zeigen. Dieser Verschalung gilt Heidi Speckers künstlerischer Zugriff. Mit dem Computer überarbeitet sie die Fotos, die sie von den Gebäuden machte, und verschiebt dabei Kontraste und Farbübergänge. Die großformatigen Bilder wirken unscharf, verschwommen, flach, ohne Tiefe. Angesichts ihrer Tendenz, den Bau bis in die Abstraktion rein dekorativer Module hinein aufzulösen, erahnt man gerade noch die Architektur. Dementsprechend sind die „Speckergruppen“ das genaue Gegenbild zur bekannten Architekturfotografie, die das Neue Bauen, den International Style, mit jener Aura kühler Rationalität versah, die ihm zu seiner notorischen Berühmtheit verhalf. Indem Heidi Specker noch mit abbildorientierter Fotografie arbeitet, die aber schon am Rand der digitalen Realitätsfreiheit steht, erweisen sich bei ihr die Baumeister der zweiten Moderne als Entwurfsgenies eher trübseliger Häkelmuster.

Bis 8.3., Di-Fr 14-19, Sa 12-16 Uhr, Torstraße 220

„Herberts Erinnerungen“ unterscheiden sich nur wenig von den unseren, jedenfalls, wie sie das Familienalbum aufbewahrt. Da gibt es die Klassenfahrt, den Bergurlaub oder Herbert beim Baden mit Werner und Brigitte am Stuhldorfer See. Dort sollte er sich übrigens ganz zu Hause fühlen, denn einen Unterschied macht es schon, daß Herbert eine Holzskulptur ist und ein Gebrauchsgegenstand dazu. Sofern man selbst mindestens 9,30 Meter lang ist, kann man nämlich ganz bequem auf ihm sitzen. Die narrative Kunst ist im Kommen. Christian Maurer hat sein Erzählen Herbert zugeschoben, einem vier Meter hohen Stuhl, beziehungsweise Herberts Eltern. Sie sind in der Galerie am Scheunenviertel als ganz normaler Flechtsessel und Holzstuhl zugegen und halten das Fotoalbum ihres Sohnes bereit. Da er nicht ganz so geraten ist, wie sie es erwarteten, wird im Album mit um so größerer Tapferkeit die Idylle beschworen. Derweil liegt Herbert lang am Boden, peinlich beengt vom zu kleinen Raum. Nicht ohne Witz, aber wie eben die großen Dinge oft sind, auch ein wenig harmlos.

Bis 21.2., Di-Fr 15-19, Sa 15-18, So 11-14 Uhr, Weinmeisterstr. 8

Familientabus oder -legenden sind auch der Ausgangspunkt für Jan Mendes „Spielwaren“ in der Werkstatt der Galerie Weißer Elefant. Mende hat seine Erzählungen in sechs quadratische Blechkästen gepackt, die auf Sockeln stehen und von antiquarischem Charme sind. Da kommt eine Gruppe Genossen, wie sie ein Negativ im Leuchtkasten zeigt, „Unter der Führung der Partei zu neuen Erfolgen im Jahr 1954“. Mende war da noch lange nicht geboren. Der Siegeszug des Sozialismus ist für ihn offenbar genauso Hörensagen wie die Geschichte seines Urgroßvaters, der das Innere seines Hauses teerte, als er erfuhr, daß seine Frau ihn betrogen hatte. Der Urgroßvater läßt sich vom Besucher gleichermaßen in Bewegung setzen, wie die Urgroßmutter, die um den Tisch flieht und von einem sowjetischen Besatzungssoldaten erschossen wird. Um die putzig makabre Spielwareninstallation herum läuft an den Wänden ein Fotofries, der eine kniehohe Festungsanlage im Park von Sanssouci zeigt, auf der einstmals die preußischen Militärs mit Zinnsoldaten Krieg spielten. „Great Stuff Priced Right“: Ob das wirklich so ist, kann man nicht genau sagen, denn Jan Lilienthals Arbeiten im Hauptraum der Galerie Weißer Elefant haben keinen ersichtlichen Preis. „Tasche, Hund und Teller“ hat der Absolvent der Kunsthochschule Weißensee im Druckrasterstil auf jeweils eine Leinwand gemalt, die mit weißem, fluoreszierenden Acryl grundiert ist. Unter Schwarzlicht heben die Dinge entsprechend ab.

Ähnlich funktioniert ein Flash/ Fluo-Spiel „ohne Titel“. Zwei Stroboskope lassen zwei Kreise auf einer fluoreszierenden Leinwand in ständigem Wechsel hell/ dunkel aufflackern.

Lilienthals Arbeiten entstanden in New York, und folglich können die Figuren der amerikanischen Alltagsmythologie nicht außerhalb der Bilder bleiben. Felix the cat, distorted, zweimal als Fotoabzug. Und ebenfalls doppelt, in Diagröße, ein Comicgespenst im Pyjama, wobei die Monitorgeräte in Walkmangröße, auf denen der Videoloop zu sehen ist, interessanter scheinen als der Loop. „Great Stuff“ wirkt wie eine sehr unterkühlte, distanzierte und, falls es so etwas gibt, preußisch-protestantische Ode an die transatlantische Pop-culture.

Bis 8.3., Di-Fr 14-19, Sa 15-18 Uhr, Almstadtstr. 11

Brigitte Werneburg