: Reemtsmas Peiniger für Jahre im Knast
■ Das Hamburger Landgericht verurteilt die beiden Entführer des Millionärs Reemtsma zu langjährigen Gefängnisstrafen. Suche nach dem mutmaßlichen Drahtzieher Thomas Drach und dem Lösegeld erfolglos
Hamburg (taz/dpa) – Am Ende blickten sie niedergeschlagen in die TV-Kameras: Wolfgang Koszics (55) und Peter Richter (59), die Entführer des Hamburger Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma, müssen für lange Zeit hinter Gitter. Das Hamburger Landgericht verurteilte die beiden gestern zu Haftstrafen von zehneinhalb und fünf Jahren. Koszics wurde des erpresserischen Menschenraubs und Richter der Beihilfe daran für schuldig befunden. Die Angeklagten seien verantwortlich für die „volle Länge der Entführung“, sagte der Vorsitzende Richter der 16. Großen Strafkammer, Rolf Helbert, in der nur halbstündigen Urteilsbegründung.
„Sein von Reue getragenes Geständnis“ habe bei Koszics strafmildernd gewirkt, erklärte der Richter. Verschärfend wirkte sich für ihn dagegen die lange Planungsdauer der Tat und die lange Dauer des Menschenraubes von 33 Tagen aus. Auch habe der 55jährige, so der Richter, zeitweilig die Schlüssel für das Verlies Reemtsmas besessen und hätte ihn auch freilassen können. Zum Nachteil wurde auch Koszics langes Vorstrafenregister. Zusammen mit einer ausstehenden Bewährungsstrafe summiert sich seine Haftdauer auf nunmehr insgesamt 15 Jahre. Für den 59jährigen Richter nahm die Kammer dagegen nur den „Normalfall der Beihilfe an“. Er habe technische Geräte gekauft, bei der Familie des Opfers gearbeitet sowie das Haus im niedersächischen Garlstedt gereinigt, in dem der millionenschwere Intellektuelle versteckt worden war.
Richter Helbert ging noch einmal auf die Vorgeschichte der Entführung des Millionärs am 25. März 1996 und den langjährigen Kontakt zwischen Koszics und Thomas Drach ein. Dieser gilt als Drahtzieher der Entführung. Koszics habe das Haus in Garlstedt bereits im Sommer 1995 unter seinem Namen angemietet. Der Plan einen Millionär zu entführen, sei schon vor Jahren in Budapest geschmiedet worden. Der 55jährige habe Reemtsma zeitweilig bewacht und versorgt und am Steuer gesessen, als das Opfer freigelassen wurde. Aus dem Lösegeld von 30 Millionen Mark seien ihm vier Millionen Mark versprochen worden. Richter, der spätestens im Februar 1996 gewußt habe, „daß Drach ein großes Ding plant“, seien 40.000 Mark zugesichert worden, meinte Helbert.
Der Anwalt des Nebenklägers und Opfers Reemtsma war zwar mit dem Strafmaß zufrieden, nicht aber mit der rechtlichen Einordnung Richters. Er sei „zu Unrecht“ nur als Beihelfer verurteilt worden, erklärte Reemtsmas Anwalt Johann Schwenn. Dagegen werde er Rechtsmittel einlegen. Richter habe die Vorbereitungen mitgetragen und auch „im Zentrum des Geschehens operiert“.
Reemtsma, der fast alle elf Verhandlungstage im Gericht mitverfolgt hatte, blieb der gestrigen Urteilsbegründung fern. Dafür saßen seine Frau Ann Kathrin Scheerer und Sohn Johann im überfüllten Zuschauerraum. Drach und das Rekordlösegeld von 30 Millionen Mark sind bis auf rund 200.000 Mark weiter verschwunden. Nach einem vierten Mittäter – vermutlich ausländischer Herkunft – werde gesucht, bestätigte der Hamburger Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger gestern. Die beiden Verurteilten bleiben nach Beschluß des Gerichts in Haft.
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