: Vorsicht! Africans at work
■ „Afrika gibt es nicht.“ Ein Symposium suchte in Berlin nach der Moderne
Lag es am Sprachproblem? Die deutschen Professoren sprachen zumeist Englisch. Der Kameruner Kuma N'Dumbe sprach Deutsch. Ein anderer Kameruner aus dem Publikum bezeichnete sich als „kamerunophon“ und zitierte dann ausführlichst Hegel auf Französisch. Aber auch wenn sie alle dieselbe Sprache gesprochen hätten, kann man davon ausgehen, daß die Teilnehmer des dreitägigen Symposiums „Afrika und die Moderne“, das am Samstag in Berlin zu Ende ging, gewisse Verständigungsschwierigkeiten gehabt hätten.
Lag es am Thema? Das Thema war nicht Afrika, sagte Organisator Bernd Scherer. Es war „unser Verhältnis zu Afrika“. Das Thema war nicht Afrika in der Moderne, sagte der beninische Philosoph Paulin Hountondji. Es war „modernes Denken in Afrika“. Dann sagte der kamerunische Sozialwissenschaftler Achille Mbembe: „Die Moderne gibt es nicht.“
Nun ist selten, daß Afrikanisten aus Kanada und Kamerun, Benin und Großbritannien eine Chance haben, sich bei einem mehrtägigen Symposium auszutauschen. Und das beständig wachsende Publikum sprach für wachsendes Interesse der Öffentlichkeit wie auch der Afrika-Wissenschaft an den komplexen Zuständen der afrikanischen Gegenwart. Aber wenn von Moderne in Afrika die Rede ist, müssen die Begriffe Moderne und Afrika definiert werden. Weder ist „Moderne“ ein homogener Zustand, noch ist „Afrika“ ein homogener Ort.
Paulin Hountondji aus Benin, über lange Jahre einer der einflußreichsten marxistischen Philosophen Afrikas, schrieb einst, afrikanische Philosophie sei keine bestimmte Denkrichtung, sondern einfach das, was afrikanische Philosophen machten. Ist afrikanische Moderne also einfach das, was moderne Afrikaner machen?
Mangels Definition wurden die Begriffe im Verlauf der Tagung immer unschärfer, und am Schluß waren sie weg. Hountondji kam zu dem Schluß: Afrika gibt es nicht. „Modernes Denken in Afrika heute bedeutet, die Tatsache der intellektuellen Herrschaft des Westens zu akzeptieren und sich bereitzuerklären, durch das eigene intellektuelle Bemühen den Prozeß der globalen Expansion westlichen Denkens zu befördern – ob man es mag oder nicht.“ Den Afrikanern bliebe nur noch die Herausforderung, „die westliche Moderne komplett zu assimilieren und sich nicht von ihr assimilieren zu lassen, [...] aus der Expansion des Westens Profit zu ziehen, anstatt sich einfach mit dem Status des Instruments zu begnügen“.
Danach war die Moderne an der Reihe. Hountondji plädierte im Einklang mit einigen Deutschen für eine „polyzentrische Welt“, in der „jedes Volk seine eigene Moderne“ hat. Die Moderne als solche gibt es also auch nicht. Aber was wäre denn für Afrika die „eigene Moderne“? Der Kameruner Soziologe Achille Mbembe sprach von den vielschichtigen Aktivitäten des täglichen Überlebenskampfs, die sich traditionellen europäischen Begrifflichkeiten entziehen. „Je komplexer diese Gesellschaften werden, desto simplizistischer wird der Diskurs über sie“, kritisierte Mbembe die europäischen Afrika-Wissenschaften. Afrika sei aber nicht simpel, sondern „der spannendste Ort der Welt“, der „in einer nie dagewesenen Phase sozialen, ökonomischen und kulturellen Experimentierens“ stecke. Man müsse einsehen, daß viele problematische Phänomene von Gewalt bis zur Schmuggelwirtschaft einfach Phänomene des afrikanischen Umgangs mit der Moderne seien. „African agency at work“ – Afrikaner bei der Arbeit – nannte er das.
Man könnte sich nun ein Bild der Massaker in Ruanda vorstellen, mit einem Straßenschild vornedran: „Achtung! – African agency at work.“ Das meinte Mbembe natürlich nicht. Aber die Frage, ob nicht zwischen verschiedenen Handlungsweisen in einer Weise unterschieden werden muß, die nicht der von Europa gesetzten Unterscheidung zwischen „modern“ und „traditionell“ entspricht, sondern eigenen afrikanischen Bedürfnissen Rechnung trägt, beantwortete auch er nicht. Zum Abschluß blieb dem Nigerianer Ikem Stanley Okome die Kritik, daß die mehrfach gestellte Frage nach den Machtverhältnissen innerhalb Afrikas und deren Auswirkung auf Modernisierungsprozesse „keine adäquate Antwort“ gefunden hätte. Dominic Johnson
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