Vorläufige Atempause für Belgrads Sozialisten

■ Serbiens Opposition verkündet vorläufige Aussetzung der Proteste, verlangt aber nun die Demokratisierung der Medien. Die Studenten wollen weiterdemonstrieren

Belgrad (dpa/AFP) – Nach 88 Tagen hat das serbische Oppositionsbündnis Zajedno am Wochenende die vorläufige Unterbrechung seiner landesweiten Proteste beschlossen. Das Oppositionsbündnis kündigte aber eine neue Machtprobe mit Präsident Slobodan Milošević an: Falls bis zum 9. März die staatliche Kontrolle der Medien nicht beendet sei, würden die Proteste wieder aufgenommen. Und bis zu diesem Datum werden andere Formen des Protestes weiterbestehen: tägliche Studentendemonstrationen, die allabendlichen „Lärmkonzerte“ und verschiedene Streiks, sagte Oppositionsführer Zoran Djindjić gestern dem unabhängigen Belgrader Sender B-92. Für kommenden Freitag luden die Oppositionsführer Djindjić, Vesna Pesić und Vuk Drašković vor mehreren tausend Anhängern in Belgrad zu einer Siegesfeier ein.

Zahlreiche Radio- und Fernsehsender stehen in Serbien unter direkter Kontrolle der örtlichen Behörden. Nach den Wahlsiegen der Opposition bei den Kommunalwahlen müßte Zajedno daher auch das Sagen über eine Reihe von Medien erhalten, sagte Djindjić. Die Opposition befürchtet, daß das Milošević-Regime angesichts der in diesem Jahr bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen die Medien instrumentalisieren will.

Die ebenfalls protestierenden Belgrader Studenten wollen ihre Demonstrationen wegen des Wahlbetrugs nicht vor der endgültigen Anerkennung der Zajedno-Mandate in den beiden Belgrader Stadtbezirken Novi Beograd und Mladenovac beenden. Das kündigte die Studentenführung gestern an und rief die Hochschüler zu neuen Versammlungen am Abend auf. Die Studenten fordern zudem den Rücktritt des Rektors und des Prorektors der Belgrader Universität. Die Zajedno-Führer stellten es ihren Anhängern frei, sich den Studentendemonstrationen anzuschließen, „wenn sie wollen“.

Oppositionsführer Vuk Drašković sagte, er wolle nach dem Stopp der Straßenproteste mit Serbiens Präsidenten Milošević verhandeln, erwarte jedoch keine Zugeständnisse von dem Regime. In einem anderen Interview sagte er, im Falle seiner Wahl zum Präsidenten bei den geplanten Wahlen würde er sich für die Einführung einer parlamentarischen Monarchie stark machen. Kommentar Seite 10