Bewältigungsschmäh

■ „Through Roses“: Film von Thalia-Intendant Jürgen Flimm auf der Berlinale

Zum 50. Jahrestag des Kriegsendes lief es bereits im Thalia Theater, jetzt hat Jürgen Flimm einen Film daraus gemacht: Through Roses, ein Musiktheaterstück von Marc Neikrug, entwirft klanglich und textlich das Bild von der Qual der Erinnerung eines Musikers, der Auschwitz überlebt hat, dort aber mitansehen mußte, wie, während er zum Spielen gezwungen war, seine große Liebe zu Tode geprügelt wurde. Der auf der Berlinale vorgestellte Kinofilm ist erneut eine Zusammenarbeit von Flimm, Neikrug und dem Geiger Pinchas Zukerman. Nur der Hauptdarsteller wird diesmal nicht von Christoph Bantzer (damals als Ersatz für Klaus Maria Brandauer) gespielt, sondern von Maximilian Schell.

Und diese Wahl ist eine schlimme Fehlentscheidung, denn die Art, wie „Mr. Sentimental“ Angst in Nonchalance, Schrecken in Pathos und Verzweiflung in Selbstdarstellung ummünzt, ist unerträglich. Betrachtete man nur seine Spielszenen ohne Ton und die herumstehende und -liegende Staffage aus NS-Leuten und KZ-Häftlingen, die in gespenstisch nichtssagender Höflichkeit alle Bedeutung abgestreift haben, dann würde man diesen Film für die Geschichte vom Ende eines großen Säufers im Altersheim halten müssen. Nichts davon, wie das Grauen noch Jahrzehnte später seine Spuren hinterläßt, wie Panik und Schuldvorwürfe die Kontrolle der Psyche übernehmen, wie die Marter zu gläserner Leere und feuriger Verzweiflung führt, findet sich in den Zügen des großen Bären, der hier durch sein dunkles Zimmer tappt. Da braucht es erst Hundegebell und Stiefelgeräusche aus dem Off und dergleichen Klischees mehr, um plakativ anzudeuten, worum es hier eigentlich geht.

Da man angesichts einer Low-Cost-Produktion wohl zu derartig abgedroschenen Stilmitteln greifen mußte, wäre es die klügere Entscheidung gewesen, eine konzertante Aufführung mit Zukerman zu filmen und den Text einfach sprechen zu lassen. Dieser schwülstige Bewältigungs-Schmäh jedenfalls sollte möglichst nicht in die Kinos kommen.

Till Briegleb