Supersportliche Drogenfreunde

■ Nichts für Berliner Gelegenheitsuser: "Illtown" von Nick Gomez im Forum

„Wir fuhren nach Florida, um einen Hongkong-Thriller zu drehen, hatten aber nicht genug Geld und beschlossen deshalb, etwas Experimentelles zu machen“, sagt Nick Gomez, desen Film „Laws of Gravity“ 1993 in Berlin preisgekrönt worden war. „Illtown“ kommt trotzdem recht publikumsfreundlich daher. Dante (Michael Rappaport), ein mittelschwerer Drogendealer in Miami, führt ein eher geruhsames Leben. Die Märkte sind aufgeteilt, auf den Heroinpäckchen steht „Love“, das Geld fließt, die Wohnung ist hübsch eingerichtet, seine Frau Mickey (Lili Taylor) erwartet ein Kind, und am Wochenende ist der Mittzwanziger mit seinem besten Freund und Partner Cisco (Kevin Corrigan) auf albernen Golfplätzen zu finden.

Die wilden Jahre, in denen er seine Karriere begann, sind längst vorbei. Eigentlich möchte sich Dante in kleinfamiliäre Idyllen zurückziehen. Alles ist prima, bis Gabriel, ein Partner, den Dante früher mal verriet, wieder auf der Szene auftaucht und böse Sachen anstellt: Er läßt den guten Stoff, den Dantes Dealer in einer Diskothek verkaufen, durch miesen Stoff austauschen. Ein paar User sterben. Der Club wird dichtgemacht. Dante fahndet nach den Verrätern in den eigenen Reihen; ein junger Kleindealer wird umgebracht und kommt ab und an in bösen Träumen vorbei. Gabriel rekrutiert ein paar besonders desperate Jugendliche, die, wenn man das mal auf Berlin übertragen würde, aussehen, als kämen sie aus Marzahn, und ziemlich rücksichtslos Dantes Reihen lichten. Ein Bandenkrieg entbrennt. Als Zuschauer nimmt man für Dante Partei und Cisco und will dem wohl schwulen Gabriel zurufen, er soll die alten Geschichten doch auf sich beruhen lassen. Das ist klasse, gerade weil Dante und Cisco, wenn man's recht bedenkt, eher unsympathisch sind. Es deutet sich jedenfalls ein schlechter Charakter an, als Cisco mit weichem Gesicht erzählt, wie er den Mann seiner früheren Geliebten aus dem Grab ausbuddelte, um den Leichnam den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.

Wilde Showdowns, deren Künstlichkeit sich am Hongkong- Kino orientiert, jagen einander. Die Schauspieler, eine Mixtur aus Stars (Lili Taylor, Michael Rappaport) und engagierten Jugendlichen, die Gomez in einer High- School fand, sind durchgehend großartig. Zwischendurch taucht auch noch Issac Hayes als Blaxploitationzitat auf. Der taubstumme Bruder von Mickey sorgt für Sympathie. Die Autos glänzen schick. Am Ende sind alle tot.

Der amerikanische Filmkritiker Gavin Smith lobte den „narkotischen Realismus“ von „Illtown“. Nicht ganz zu Unrecht, und sicher ist Gomez' Film ästhetisch überzeugender als etwa „Trainspotting“. Diverse Wahrnehmungen, die auch der Gelegenheitsuser leichter Drogen kennt, durchziehen den Film: Die Zeit wird in der eher assoziativ denn linear erzählten Geschichte fragmentiert, Szenen brechen plötzlich ab, um irgendwann anders genauso plötzlich wiederaufgenommen zu werden, die Musik zieht einen in das Geschehen, das gleichzeitig sehr schnell und sehr langsam vorbeikommt, man verliert sich für Momente, um plötzlich wieder aufzuschrecken, wenn mal wieder jemand umgelegt wird, gegen Ende vermischen sich immer mehr Phantasie, Traum und Realität. Ein wenig mag man an „Fallen Angels“ denken, mehr jedoch an die besseren Folgen von „Miami Vice“. Was nicht gegen den Film spricht. Nur da draußen sieht der Durchschnittsberliner eben viel ungesünder aus als die durchgehend sportlichen Drogenfreunde und Dealer von „Illtown“. Von den Verpeilten, die früh morgens in den Clubs rumhängen, oder den Junkies am Bahnhof Zoo ganz zu schweigen. Detlef Kuhlbrodt

„Illtown“. USA 1996, 97 Min., Regie: Nick Gomez. Mit: Michael Rappaport, Lili Taylor u.a.

21.2.: 19 Uhr Babylon im Zeughaus