: Filigrane Fundgrube
■ Privates Uhrenmuseum präsentiert seltsame Raritäten / Darunter: Ein Schweizer Chaletzimmer mitten in Bremen
Museen müssen nicht öffentlich sein. Auch Privatpersonen können sammeln. So leidenschaftlich, daß sich die Schätze zu Hause stapeln. In der Bremer Sögestraße hält sich solch ein kleines Privatmuseum versteckt. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Volker Schmidt, Geschäftsführer bei Juwelier Grüttert, ein Stück Uhrenhandwerks-Geschichte dokumentiert. Doch wer sich per Wendeltreppe in das kleine Gemäuer im Grütterthaus wagt, sieht mehr als nur Uhren. In den Vitrinen findet sich private Geschichte, Intimes – ein Ausdruck einer fast fanatischen Sammelleidenschaft.
Denn Schmidt hat ein ganz besonderes Verhältnis zur Zeit. Das mag daran liegen, daß der 51jährige gelernter Uhrmachermeister ist – und ihn schon das Ticken einer Uhr in Verzückung versetzt. „Das ist Zeit“, sagt er dann. Aber neben der Faszination für die „kleinen Maschinen“ verfolgt ihn ein ganz anderer Gedanke: „Ich will nicht, daß die Geschichte meiner Familie in Vergessenheit gerät“, sagt er. Und so präsentiert Schmidt die ersten Uhrmodelle der alten Juwelier- und Uhrmachermeisterfamilie Grüttert von 1890 direkt neben der Geschichte seiner eigenen Uhrmacherfamilie Teegen – und dokumentiert Fotos, alte Uhren und Zeugnisse aus dem Geschäft seines Großvaters im Hamburger Stadtteil Blankenese.
Da liegt die dicke, fette Taschenuhr aus London, die er als 10jähriger von seinem Großvater geschenkt bekam – und die „logischerweise“ seine Leidenschaft für das Uhrmacher-Handwerk geweckt hat. Flink holt er das goldene und fast 100 Jahre alte Stück aus der Vitrine und öffnet die hintere Uhrenklappe. Ein filigranes Uhrwerk kommt da zum Vorschein, „das sind oft über 400 Teile, die müssen sie als Uhrmacher alle auseinander- und wieder zusammensetzen können. Aber das erkennt ja keiner richtig an“.
Damit sich das ändert, hält Schmidt eine ganz besondere Überraschung für seine Gäste bereit. Stolz öffnet er die Tür in ein weiteres Zimmer – das Schweizer Stübchen. Jodelmusik empfängt den werten Besucher in dem originalgetreu nachgebauten Chaletzimmer. „Hier fängt die Geschichte der Uhrmacherei an“, sagt Schmidt, der vor einem originalgetreuen Werktisch steht. Vor ihm ein Chaletfenster aus Herzholz: Der Fensterblick zeigt eine Schweizer Fototapete: Berge, auf denen Schnee liegt – ein kleines Dorf im Tal. Auf dem Werktisch liegen filigrane Hammer, daneben hängt eine Drehscheibe. Hier wurden die millimeterkleinen „Uhr-Aufzieher“ gedreht und anschließend gefeilt. Sie sind bei Schmid in einem kleinen Schrank aufbewahrt, in dem sich fast eine Million Ersatzteile für antike Uhren verstecken – in kleinen Schachteln, die noch kleinere Fächer haben. „Schweizer Uhren haben einen satten Preis“, sagt Schmid, „und das zu Recht. Schließlich ist das feinste Arbeit und zudem ein Kunsthandwerk.“
Doch längst hat die Industrialisierung das Uhrmacherhandwerk eingeholt. Der Uhrmacher ist zum Händler geworden, der feinste Massenware vertreibt. Und nebenbei immer wieder alte Uhren mühevoll überholt. „Da kann man nicht einfach nur mal so herüberpusten“, sagt der Grüttert-Geschäftsführer. Schon zur Währungsreform vertrieb der seit 1890 in Bremen ansässige Juwelier Grüttert schlichte Junghans-Uhren, ein Massenprodukt. Vor ein paar Jahren verstarb seine Tochter – als letztes Familienmitglied. Und Schmidt, seit 1976 Grüttert-Geschäftsführer, sortierte und konservierte den gesamten Familien-Nachlaß.
Wenn Schmidt von der bewahrenswerten Vergangenheit schwärmt, fällt er immer wieder auf seine größte Leidenschaft zurück: Die „Bremen“ will er in die Hansestadt holen. Mit diesem Flugzeug überquerten drei Flieger 1928 von Bremen aus als erste den Atlantik in Ost-West-Richtung. Auch das sind für Schmidt „Pioniere, die keiner kennt und nicht zu vergessen sind.“ Wieder eine klare Schmidtsche Botschaft an die Zeit, die immer weitergeht. Wie die zahlreichen Uhren, die in seinem Museum ticken, schnurren und pendeln.
Katja Ubben
Das Uhrenmuseum befindet sich in der Sögestraße bei Juwelier Grüttert. Anmeldung Tel.: 30 90 50
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