Ansonsten kochen sie Reis

■ Tabulos: „Der Fluß“ von Tsai Ming-liang im Wettbewerb

Wenn man sich einige der asiatischen Filme bei dieser Berlinale so anschaut, scheint es, als wären sie dort momentan vor allem mit der eigenen Sprachlosigkeit beschäftigt. In den Filmen aus Hongkong wird das durch einen Overkill aus Plappern und Action überdeckt. Im Rest regiert das Schweigen.

„Der Fluß“ ist eine Kloake in Taipeh, an der ein Filmteam demonstriert, wie öde ihr Alltagswerk ist. Immer wieder fliegt die Schaufensterpuppe, die als Leiche ins offene Meer treiben soll, ins Wasser, bis sie schließlich Arme und Füße verliert.

Die in Hongkong lebende Regisseurin Ann Hui spielt sich quasi selbst und überredet den nur zufällig anwesenden Xiao-kang, den Part der Puppe zu übernehmen. „Besser als der Dummy“, stellt die Regisseurin zufrieden fest. Am nächsten Tag bearbeitet Xiao- kang seinen Ausschlag mit der Zahnbürste. Später wird sein Nacken steif, die Schmerzen schlimmer. Eine Odysee zu Ärzten, Heilpraktikern und Wunderheilern beginnt.

Xiao-kang wohnt bei seinen Eltern. Die Mutter hat ein Verhältnis mit einem Videopiraten, der Vater geht in Schwulen-Saunen auf die Suche nach Sex. Ansonsten kochen sie ihren Reis. Dann essen sie ihn. Im Zimmer des Vaters tropft es von der Decke. Die Mutter gibt ihrem Sohn ihren Vibrator, damit er sich den steifen Nacken massieren kann.

Nachts liegen alle einzeln in ihren Zimmern wach, starren in die Glotze oder an die Decke, und durch die Wohnung dröhnt leise das Summen des Vibrators. Gesprochen wird nicht einmal das Allernötigste. Vater und Mutter haben keine Eigennamen, mit denen sie ihr Sohn oder sie sich untereinander ansprechen würden. Erst die unerklärliche Krankheit führt Xiao-kang und seine Eltern in klitzekleinen Schritten wieder ein wenig näher zusammen.

Die dritte Regiearbeit des in Malaysia geborenen Schauspielers, Theater- und Drehbuchautors Tsai Ming-liang mag für einen Film aus Taiwan ungewohnt explizit und tabubrechend sein. Er bleibt für uns Europäer trotzdem ziemlich langweilig. Thomas Winkler

„He Liu – Der Fluß“. Taiwan/ China 1997. 115 Min. Regie: Tsai Ming-liang. Mit: Lee Kang-sheng, Miao Tien, Lu Hsiao-ling u.a.

Heute: 12 Uhr im Royal Palast, 18.30 Uhr in der Urania, 22.30 Uhr im International