: Drogenbilanz korrigiert
■ Statistik für 1995 "unterschlägt" 28 Drogentote. Drogenbeauftragte: Gerichtsmedizin und LKA verantwortlich
Die Zahl der Drogentoten für das Jahr 1995 ist gestern von Jugendsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) korrigiert worden. Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Eduard Lintner, hatte in der bundesweiten „Rauschgiftbilanz“ am Dienstag von einer „Verschärfung der Lage in Berlin“ gesprochen. So habe es 1995 93 Todesfälle gegeben und im vergangenenen Jahr 175 – ein Anstieg von 88 Prozent. Als Ursache nannte Lintner Herointoxikationen und den riskanten Mischkonsum von Alkohol, Medikamenten und anderen illegalen Drogen.
Nach Angaben der Sprecherin der Jugendverwaltung, Rita Hermanns, liegt die Zahl der Drogentoten für 1995 jedoch nicht bei 93, sondern bei 121. Der Grund für die Korrektur: Die Zahl der Drogentoten wurde, so die Drogenbeauftragte Elfriede Koller, „unterschätzt“, weil 1995 die Angaben der obduzierten Drogentoten von der Gerichtsmedizin „nicht vollständig“ an das Landeskriminalamt (LKA) übermittelt worden seien. Koller hat bisher keine Erklärung, wie es dazu kommen konnte. Die Fehler müßten beim LKA und der Gerichtsmedizin gesucht werden, jedoch nicht bei der Jugendsenatsverwaltung, die die Daten lediglich veröffentliche: „Wir haben uns damals, als wir die Daten von der Polizei bekamen, auch gewundert, daß die Zahlen so niedrig sind.“ So hätte die Senatsverwaltung bereits im vergangenen Jahr mehrere Briefe an das LKA geschrieben, jedoch bisher keine Antwort bekommen.
Die Senatsjugendverwaltung betonte gestern, daß sie eine kontrollierte Abgabe von Heroin weiterhin strikt ablehne. Die Drogenbeauftragte sieht bei der kontrollierten Abgabe von Heroin zumindest einen großen „Forschungsbedarf“. Deshalb befürwortet Koller auch einen bundesweiten Modellversuch eines privaten Instituts in Frankfurt am Main, bei dem erprobt werden soll, welche Vorteile Heroinvergabe beispielsweise gegenüber Methadon habe. Elfriede Koller ist auf die Ergebnisse sehr gespannt. Jedoch: „Für Berlin sehe ich absolut keinen Bedarf, einen ähnlichen Versuch zu starten, schon gar nicht auf staatlicher Ebene. Die Bündnisgrünen forderten gestern einen solchen Forschungsversuch in Berlin, da bisherige Ergebnisse aus der Schweiz mit inzwischen 1.000 Probanden als „ermutigend“ beschrieben worden seien. Julia Naumann
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