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Klempner in Geschnatter-Stadt

■ Das Theater für Kinder zeigt eine fantastische Dramatisierung von Salman Rushdies Roman Harun und das Meer der Geschichten, die Mut zum Träumen machen soll

„Was nützen Geschichten, die nicht einmal wahr sind“, fragt Khattam-Shud rhetorisch und liefert die Antwort gleich mit: gar nichts. Daß er diese Behauptung selbst nicht glaubt, beweist indessen sein Verhalten. Khattam-Shud, die Inkarnation des Bösen aus dem Schattenreich, hat im Gegenteil solche Angst vor der Kraft der Geschichten und der Phantasie, daß er sie verbietet. Genauer gesagt, stellt er ihnen den Hahn ab. Er vergiftet das Meer der Geschichten, so daß die Erzähllinien trockenlaufen und Rashid, der große Geschichtenerzähler, kaum mehr krächzen kann.

Harun, Rashids kleiner Sohn, wird es dann beweisen: Geschichten können alles. Man muß an die Kraft der Fiktion glauben, dann kann man selbst den Mond Kahami drehen und mit seinem Licht das Schattenreich verschwinden lassen. Harun träumt, daß er mit dem Wasserdschin, einer Art fantastischem Klempner, nach Gup-City, der Geschnatter-Stadt reist, wo Menschen lebende Bücher sind. Dort weiß man bereits von der Vergiftung des Meeres der Geschichten, und als dazu noch die Prinzessin entführt wird, ist klar: Es muß etwas getan werden! Die Reise beginnt. Am Ende dieser langen Nachtes Reise in den Tag, wenn Harun erwacht, wird der Vater seine Stimme wiederhaben .

„Man hätte die Geschichte gut als Polit-Thriller inszenieren können“, sagt Johannes Zametzer, der Salman Rushdies Harun oder das Meer der Geschichten am Theater für Kinder inszeniert. Der Bochumer Freie Regisseur bringt sonst Jelinek oder Koltès auf die Bühne, doch seit er selbst einen Sohn hat, führt er auch ab und zu bei Kinderstücken Regie. „Man kann Kindern nicht die Schlammschlachten des Lebens zeigen. Furcht und Schrecken sind erlaubt, aber es muß die Katharsis, die Erlösung folgen. Ich habe Harun sehr komisch und slapstickhaft inszeniert.“

Die Hamburger Premiere kommt zu einem traurigen Jahrestag: Im Februar 1996 wurde die Fatwa über den in England lebenden indischen Autor verhängt. Rushdies Roman Harun über „eine Welt, wo die Ideologie zuschlägt und Kunst und Literatur nicht zuläßt, so daß das Leben stirbt“ (Zametzer) erschien ein Jahr später. Ihn in seiner inhaltlichen und formalen Vielschichtigkeit zu dramatisieren, hätte „eine Zehn-Stunden-Fassung mit vierzig Schauspielern“ bedeutet, weshalb Zametzer sich auf den Gedanken der Nützlichkeit von „unwahren“, also erfundenen Geschichten konzentriert.

„Als-ob-Spiele, wie etwa Räuber und Gendarm, existieren heute kaum noch als Sozialfaktor“, sagt der 42jährige. Im Theater aber könnten Kinder etwas lernen über den Als-ob-Charakter von Spielen und Einordnung von Illusionen - damit sie später nicht verzweifelt versuchen, in der Lindenstraße anzurufen und in die Schwarzwaldklinik eingeliefert werden müssen.

Christiane Kühl

Premiere: Do, 20. Februar, 16.30 Uhr, Theater für Kinder

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