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EU-Gelder für AKWs verschwendet

Expertenstudie: Milliarden fehlinvestiert in zwei ukrainische Reaktoren – sie bleiben trotz westlicher Modernisierungen unsicher und überflüssig. Die EU-Kommission will weiterbauen  ■ Von Peter Sennekamp

Berlin (taz) – Die Idee der Europäischen Kommission, der G 7 und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), das Atomkraftwerk von Tschernobyl durch zwei andere AKW zu ersetzen, könnte die europäischen Steuerzahler Milliarden kosten. Zu diesem Ergebnis kam ein international besetzter Expertenausschuß, der im Auftrag der EU-Kommission, der G 7 und der EBRD eine Kostenanalyse erstellt hat.

In der gestern von der EBRD veröffentlichten Studie ist zu lesen, daß „K2/R4 (die beiden AKW-Reaktoren, Redaktion) nicht ökonomisch sind. Die Fertigstellung dieser Reaktoren würde nicht den produktivsten Einsatz von US- oder EU-Geldern zu dieser Zeit bedeuten.“

Weiter kommen die Experten zu dem Ergebnis, daß die Finanzierung der Reaktoren Khmelnitski 2 und Rovno 4 (K2/R4) mit einem völlig unkalkulierbar hohen Risiko verbunden sei. Konkret seien solch große Überkapazitäten bei Grundlastkraftwerken vorhanden, daß trotz einer Schließung von Tschernobyl der Ausbau von K2/R4 schlicht überflüssig sei, auch in den Wintermonaten.

Die nun vorgelegten Ergebnisse widersprechen den Vorstellungen der Europäischen Kommission. In einem Hintergrundpapier der Kommission hieß es: „(Die) kosteneffektivste Option ist, einige teilfertige Kernkraftwerke fertigzustellen, die die Selbstversorgung der Ukraine mit Energie verbessern.“ Weiter habe die Kommission nichtnukleare Alternativen nicht als kostengünstig angesehen. Kurz darauf wurden im EU-Tacis- Programm 100 Millionen Ecu an Geschenken und 400 Millionen Ecu an Krediten für die K2/R4- Fertigstellung in Aussicht gestellt.

Ausgerechnet zum 10. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe im April 1996 pokerte die ukrainische Regierung mit den G 7-Mitgliedern um die Schließung des Super-GAU-AKW. Sie wollte 4 Milliarden US-Dollar für die Abschaltung von Tschernobyl. In einem „Einvernehmlichen Memorandum“ kamen die Ukraine, die EU und die G 7 überein, als Ersatz für eine Schließung im Jahr 2000 die Fertigstellung zweier unfertiger Reaktoren zu finanzieren und 2 Milliarden US-Dollar für nichtnukleare Energieoptionen bereitzustellen. Jedoch ist in den Statuten der EBRD festgelegt, daß sie Gelder nur für die kostengünstigsten Projekte vergeben darf.

1994 hat die EU-Kommission argumentiert, daß die Fertigstellung der Reaktoren K2/R4 die kosteneffektivste Lösung darstelle. Nun aber zeigt sich, daß sie keinesfalls eine sinnvolle und kostengünstige Investition darstellen. Es bleibt trotz der Ergebnisse des internationalen Expertenteams zu befürchten, daß EU-Steuergelder für unkalkulierbare Nuklearprojekte verschwendet werden, weil Institutionen wie Euratom die Projekte fortführen wollen. In einer Presseerklärung hat sich die EBRD bisher vorbehalten, ob sie die Studienergebnisse akzeptieren will.

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