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Die alte Frau und der Fisch

■ Bildhauerin Christiane Lüdtke aus Bergedorf porträtiert eine Fischhändlerin

Elsa C. hat ihr Leben lang gearbeitet. In den dreißiger Jahren übernahm sie zusammen mit ihrem Mann das Fischgeschäft der Eltern; als der Mann 1940 eingezogen wurde, stand sie allein hinter der Theke. Bis der Hamburger Laden 1943 in Trümmern versank. Da ging sie los und suchte neue Räume. Nachts schlief sie auf dem Fußboden auf Zeitungspapier, tagsüber organisierte sie Lebensmittel – um das Geschäft neu aufzubauen und das nackte Überleben zu sichern. Als der Krieg vorbei war, verkaufte Elsa C. weiter Fisch, bis in die Sechziger hinein. Und auch als sie im Alter nicht mehr selbständig sein konnte, arbeitete sie als Verkäuferin in einem Kaufhaus.

Eine weibliche Biographie, in vielem typisch für ihre Generation, aber natürlich auch einzigartig, weil kein Leben sich in Schablonen pressen läßt. Läßt es sich denn in Ton nachbrennen? Die Bergedorfer Bildhauerin Christiane Lüdtke hat es getan. Ihr Interesse an alten Menschen ist nicht zufällig: Die gelernte Sozialpädagogin hatte jahrelang in der Altenpsychiatrie gearbeitet, bevor sie die Laufbahn einer Künstlerin einschlug. Nach der Ausbildung in diversen Ateliers, zuletzt in der Freien Bildhauerwerkstatt Altona, ist sie seit zwei Jahren selbständig und organisiert mittlerweile ihre dritte Ausstellung zum Thema Alter. „Es geht um Rückschau und Bilanzziehen nach einem Leben, in dem meist keine Zeit dazu war“, sagt Lüdtke. „Und um das Wissen und die Erfahrung, die mit dieser Frauengeneration ausstirbt und die ich festhalten will.“

Als Christiane Lüdtke vor zwei Jahren nach einem neuen Modell suchte, lernte sie in einem Kirchenkreis die ehemalige Fischhändlerin kennen. Zuerst wollte sie nur ein paar Porträtskizzen anfertigen, aber als die alte Dame begann, ihr Leben zu schildern, wurde der Bildhauerin schnell klar, daß sie mehr aus der Zusammenarbeit machen könnte. Nach anfänglichem Zögern war Elsa C. bereit, sich auf das Projekt einzulassen. Fünf Monate lang trafen sich die beiden Frauen, einmal wöchentlich, Frau C. erzählte, Lüdtke hielt das Erzählte mit Stift und Ton fest. Die alte Frau konnte sich durchaus nicht immer mit dem Ergebnis anfreunden. Mehr als einmal war sie vom Stil der Künstlerin irritiert. Dann hieß es: „Was? So sehen Sie mich? Das ist ja gruselig!“ Doch sie war bereit, auch für Werke Modell zu stehen, die ihrem Kunstverständnis widersprachen, und schließlich segnete sie alles ab.

In den Sitzungen entstanden naturalistische Tonskulpturen mit verfremdeten Konturen, abstrakte Objekte, Zeichnungen und Texte, die nun unter dem Titel Elsa C. - geboren 1909 der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Das Spannungsverhältnis eines solchen Vorhabens ist Christiane Lüdtke natürlich bewußt. Einerseits ist die Ausstellung durchaus als Hommage an Elsa C. konzipiert, die sich selbst aber nicht als „Berühmtheit“ sehen möchte und auch nicht so dargestellt werden soll. Andererseits möchte Lüdtke die alte Frau als Stellvertreterin ihrer Generation vorstellen, keinesfalls aber bloßstellen. Darum wird Elsa C. auch nicht bei der Vernis-sage anwesend sein. Um sie durch die Ausstellung zu führen, hat Christiane Lüdtke einen Extra-Termin vereinbart.

Barbora Paluskova

Ausstellung: 23. Februar bis 2. März, 10-14 und 17-20 Uhr, Bildhauerwerkstatt Christiane Lüdtke, Weidenbaumsweg 139, Hamburg-Bergedorf

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