Durchs Dröhnland: Biker ohne Bike
■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche
Ric Ocasek war der Typ mit der riesigen Hornbrille, so eine Art New-Wave-Ausgabe von Buddy Holly, der mit seinen Cars einen (oder waren's zwei?) mittelprächtige Hits hatte, bevor er sich aufs Entdecken finanziell vielversprechender Gitarrenbands (z.B. Romeo Void), Abmischen modischer Nichtigkeiten (z.B. Propaganda) und Produzieren verehrter Helden (z.B. Suicide) verlegte. Letztes Opfer sind Nada Surf, die wohl nicht recht wissen, wo sie hingehören. Man kommt aus New York, ist vom dortigen Straßensound allerdings völlig unbeleckt. Statt dessen tritt man schon mal im Avantgarde-Tempel Knitting Factory auf (wo übrigens auch der Kontakt zu Ocasek zustande kam). Andererseits kreischen die Gitarren ganz gewohnt, als würde jemand sagen wollen: Grunge ist nicht tot. Und das mit Nachdruck. Dann heißt ihr Debut „high/low“, und manchmal ist es dann tatsächlich wie Wohnzimmerrecording. Und als wenn das noch nicht genug zum Verdauen wäre, verarbeiten sie in ihren Texten ganz pavementig schon mal die eigenen Produktionsbedingungen. So vor allem in „Popular“, wo – wenn auch am Beispiel eines Footballspielers – sehr explizit all die Wirrungen und Irrungen, die Alpträume, die Hoffnungen und die Erwartungen beschrieben werden, die das Berühmtsein so mit sich bringt. Sie sind auf dem besten Weg dahin: Das US-Alternative-Radio liebt sie und MTV läßt es rotieren. So richtig mitgekriegt hat das zwar keiner, aber zwischen Low-Fi und Gitarrenrock hat sich inzwischen eine ganze Horde Kapellen angesiedelt, die richtig gute, ja bisweilen sogar intelligente Musik machen und Nada Surf gehören dazu. Das ist nicht die Musik der Zukunft, nicht mal die Musik der Gegenwart, aber wir Ewiggestrigen haben halt auch ganz gern mal ein neues Spielzeug.
21. 2., 21 Uhr, Trash, Oranienstraße 40/41
Wo wir gerade dabei sind: Auch Skunk Anansie sind vor allem eine gute Rock-Band, eine sehr gute, was ja auch schön ist. Nach dem eher im Versuchsstadium steckengebliebenen Erstling haben sie auf „Stoosh“ nun einen breiten, satten Erstliga-Sound. Da finden sich radiotaugliche Hymen wie „All I Want“, die aus den 70ern stammen könnten, schnulzige Balladen wie „Infidelity“, aber auch ein paar programmierte Beats als modisches Accessoire. Ansonsten ist es ein Spiel mit Identitäten, ethnischen und politischen. „Intellectualise my Blackness“ hieß ein Song, „Yes Its Fucking Political“ der erste Song der neuen Platte. In Interviews sagt die glatzköpfige Sängerin Skin dann wieder Sachen wie: „Wir sind nicht so politisch, wie uns die meisten sehen“. Die aus Philadelphia stammende Vorgruppe Gravity Kills dagegen versucht die in letzter Zeit auch nicht gerade wenig belebte Autobahn zwischen Heavy Metal und Industrial zu befahren. Remixt werden sie dabei schon mal von Nine-Inch-Nails- Chef Trent Raznor, sind aber bei weitem nicht so klaustrophobisch. Die Rhythmen böllern gemäßigt, ein paar Sequenzer bassen rum, aber manchmal flötet sogar so was sitarmäßiges daher. Der Gesang tummelt sich in eher tieferen Tonlagen, und die Gitarren bratzen. Eigentlich ist das Bikerrock für Menschen, denen Motorradfahren zu gefährlich ist.
22. 2., 21 Uhr, Huxleys, Hasenheide 108–114
In Osnabrück und Münster reiften die Träume von Instant Karma, in denen sie eine Karriere durchlaufen, die größenwahnsinniger als die der Rolling Stones verlaufen soll. Zu diesem Behufe spielt man einen feisten Schunkelrock, der auch vor saftigen Bläsern nicht zurückschreckt, gedenkt ein Duett mit Neil Diamond aufzunehmen, in Graceland aufzutreten, sich die kaputtgehörten Trommelfelle mit Pavian-Plantaten ersetzen zu lassen und schließlich alle verfügbaren Grammys zu gewinnen. Das ist sogar ein wenig komisch, dreist, ganz sicher nicht von Erfolg gekrönt und zudem noch ein wenig 70ies. Eine Band, die man mögen kann, aber nicht kennen muß.
22. 2., 22 Uhr, Franz, Schönhauser Allee 36–39
Viele Platten haben die Swans nie verkauft, aber ein paar befinden sich im Besitz solcher Leute wie Courtney Love, Henry Rollins, Kirk Hammet von Metallica, Justin Broderick von Godflesh oder Bill Rieflin von Ministry. Einige geben sogar zu, daß die Swans sie einmal beeinflußt haben. Höchstwahrscheinlich gab es seit Velvet Underground keine Band mehr, die finanziell so erfolglos und gleichzeitig so einflußreich war. Doch nun geht die Geschichte der Swans nach 15 Jahren zu Ende, dies ist ihre Abschieds- Tour, bevor Michael R. Gira und Jarboe sich trennen, und Gira sich ganz einer Swans- Werkausgabe auf vier CDs widmen wird. Die letzte Platte „Soundtracks for the Blind“ ist der mehr als 140minütige Endpunkt einer Entwicklung, in denen sich die New Yorker ziemlich kontinuierlich von düsteren Lärmarbeitern in klassischer Rockbesetzung zu den Verfassern hypnotischer Hörspiele entwickelten, die alle verfügbaren Techniken nutzten und sich dabei doch immer einen archaischen Klang bewahrten. Zwischenzeitliche Ausflüge in eine Art Zeitlupen-Country nicht ausgeschlossen. „Was ich wirklich von der Musik wollte“, erzählt Gira, „ist die Urerfahrung, gereinigt zu werden.“ Für „Soundtracks for the Blind“ wurden Live- und Studioaufnahmen verwendet, Tapes von alten Sessions, Geräusch-Samples, Rhythmus-Loops und Bänder aus dem Nachlaß von Jarboes Vater, der FBI-Agent war. In Zukunft will Gira ein zweites Buch für den Verlag von Henry Rollins schreiben, Bands für sein eigenes Label entdecken und unter dem Namen Body Lovers Soundlandschaften komponieren. Ist also auf dem besten Weg, der Brian Eno seiner Generation zu werden.
24. 2., 20.30 Uhr, Loft, Nollendorfplatz Thomas Winkler
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