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Wendekreis des Kolosses

■ Philip Johnson, der "Doyen der amerikanischen Architektur", hat ein Monument für die Stadt Wien entworfen. Das Museum für angewandte Kunst zeigt eine Begleitausstellung zum Projekt

Ohne Philip Johnson läuft wenig im internationalen Architekturgeschäft. Überall mischt der mittlerweile 90jährige ein bißchen mit, auch in Berlin wird am Checkpoint Charlie eines seiner Hochhäuser gebaut. An die 200 Bauten hat der „Doyen der amerikanischen Architektur“ bislang konzipiert.

Der Einstieg für den Mann mit der markanten schwarzen Rundglasbrille erfolgte allerdings 1932 über die Kunstszene. Damals organisierte Johnson im New Yorker Museum of Modern Art die Ausstellung „Modern Architecture: International Exhibition“, die zum erstenmal Arbeiten von Walter Gropius, Le Corbusier und Mies van der Rohe zeigte. 1988 drehte er den Spieß noch mal um, indem er am gleichen Ort „deconstructive architecture“ versammelte: Die Architektur von Peter Eisenman, Coop Himmelb(l)au oder Zaha Hadid gehört seitdem zur Geschichte der Postmoderne.

Zum Jahreswechsel 1996/97 ermöglichte der Direktor des Museums für angewandte Kunst in Wien, Peter Noever, Johnson einen weiteren Erfolgsschub. Er gab ein gigantisches Projekt für den öffentlichen Raum in Auftrag, dessen Maße den Begriff der Skulptur beinahe sprengen. Unter dem Titel „Wiener Trio“ entwickelte Johnson ein dreiteiliges Ensemble, das in seiner Dynamik ein Nachfolger der 1913 von Umberto Boccioni geschaffenen Plastik „Forme uniche nella continuità delle spazio“ sein könnte; allerdings wiegt das Johnsonsche Monument 5,8 Tonnen und mißt 10 Meter im Ausstellungsradius. Das Monstrum besteht aus einem Holzkern, dessen Oberfläche mit einer silbrig-matten Polyesterharzbeschichtung veredelt wurde.

Johnsons „Turning Point“ betitelte Parallelausstellung zum Projekt setzt da an, wo er das Terrain der zweckgebundenen Raumplanung verläßt. In seiner großen Liebe zur Kunst hat er sich recht frei in ihrem formensprachlichen Fundus bedient. So wird das „Wiener Trio“ von Dia- und Videoprojektionen begleitet, die Johnson vor allem als Ausstellungskurator und Kritiker zeigen. Man sitzt auf rechteckigen Schaumgummistangen im Mekkalitmuster, um Johnsons Bauten für kurze Zeit über die Wände huschen zu sehen. Das Ganze wechselt sich mit ebenfalls projizierten technischen Daten ab und ist ähnlich strukturiert wie ein Technik-Quartett für Kinder. Nur wird hier nicht der Hubraum aufgelistet, sondern Name, Ort und Entstehungsjahr des jeweiligen Baus. Im Video sieht man dann den Meister selbst, in Aktion oder auch nur in einem Wortmeer schwelgend.

Sonst sind die Ausstellungsräume leer. Lediglich der Entwurf für das „Wiener Trio“ hat noch einen Platz gefunden – auf einer viel zu großen Fläche. Eine solche monumentale Wirkungsmöglichkeit wird Skulpturen nur mehr selten eingeräumt, sieht man einmal von Objekten wie dem Stalingrad- Denkmal des Architekten Wilhelm Holzbauer ab, das im letzten Jahr in der Steppe des einstigen Kriegsschauplatzes enthüllt wurde.

Darüber, wo das „Wiener Trio“ eigentlich aufgestellt werden soll, kursieren derzeit allerdings nur Gerüchte. Man wird sehen, ob es auch mit Johnsons Skulpturenkoloß für den öffentlichen Raum so viele Probleme geben wird wie bei der Bibliothek, die Rachel Whiteread zum Gedenken an die Ermordung österreichischer Juden für die Stadt Wien entworfen hatte. Anja Helmbrecht

Philip Johnson: „The Turning Point“. Bis 23. 3., Museum für angewandte Kunst, Wien. Katalog mit Beiträgen von Frank O. Gehry, Brendan Gill, David Salle u.a. Springer Verlag, 72 S., 39,80 DM

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