■ Die Koalition streitet um Krankenversicherungsbeiträge: Rütteln am Grundprinzip
Die Diskussion um die Korrekturen an der Gesundheitsreform zeigen nur eins: Über eine wirksame Gesundheits-Reform wird nicht geredet. Statt dessen verheddern sich die Gesundheitspolitiker in der Koalition in immer neuen Details und scheinbaren Optionen. Jetzt steht auch noch das Prinzip der paritätischen Finanzierung des Gesundheitssystems zur Diskussion. Keine Korrektur wäre dies, sondern ein tiefer Einschnitt. Der Widerstand aus den Reihen der Union läßt vermuten, daß es nicht dazu kommen wird.
Ausgabenbegrenzungen laufen aus, Rationalisierungspotentiale von vielen Milliarden Mark werden nicht genutzt, das beklagen auch konservative Gesundheitsökonomen. Statt dessen streiten Freidemokraten, Bundesgesundheitsminister Seehofer und der CDU-Arbeitnehmerflügel darüber, wer denn genau nun künftig mehr zahlen muß: Sind es die versicherten ArbeitnehmerInnen oder die Kranken?
Der Bundesgesundheitsminister eröffnet eine scheinbar faire Option. Krankenkassen, die ihre Beiträge aufgrund des Kostendrucks erhöhen müssen, sollen die Wahl haben. Entweder sie steigern die Beiträge und müssen dann gleichzeitig die Zuzahlung der Patienten erhöhen. Oder aber sie erhöhen lediglich den Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen – der Arbeitgeberanteil muß dann aber eingefroren werden.
Das Prinzip der „paritätischen Aufteilung“ der Sozialversicherungsbeiträge werde damit aufgegeben, moniert der CDU-Arbeitnehmerflügel. Bisher wird dem Arbeitnehmer die Hälfte der Sozialabgaben vom Brutto abgezogen, die andere Hälfte zahlt das Unternehmen. Nicht immer galt die Hälftigkeit: Im ersten maßgeblichen Krankenversicherungsgesetz von 1883 und in den folgenden Jahrzehnten waren die Beiträge zu zwei Dritteln von den Versicherten und zu einem Drittel vom Arbeitgeber zu tragen.
Paritätische Finanzierung bedeutet, daß steigende Beiträge automatisch von den Beschäftigten und den Unternehmen gleichermaßen getragen werden – und damit zu einer Erhöhung der Arbeitskosten führen. Seehofer will dies verhindern, er ist nicht der erste. Schon mit Einführung der Pflegeversicherung zahlten die Beschäftigten den „Arbeitgeberanteil“ mit dem Buß- und Bettag. Es geht nicht nur ums paritätische Prinzip. Wird der Arbeitgeberanteil tatsächlich eingefroren, sind künftig alle Schleusen geöffnet, jegliche Kostensteigerungen einfach überzuwälzen: auf die ArbeitnehmerInnen. Barbara Dribbusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen