Garantiert elendsfrei

■ Fotos von Herbert Dombrowsky im Altonaer Museum

Armut kann so malerisch sein. Wenn verkratzte Werbeschilder vor Läden hängen, die längst nichts mehr zu verschachern haben, oder wenn ausgefranste Geschirrtücher in Hinterhöfen trocknen – wie in Altona 1954, fotografiert von dem Hamburger Herbert Dombrowsky. Die Sonne scheint auf Fensterhöhlen, wirft Schatten auf spielende Kinder zwischen bröckelnden Mauern. Pittoresker könnte Verfall nicht aussehen.

Dabei hätten die Bilder, die das Altonaer Museum von heute an unter dem Titel Licht über Altona zeigt, eigentlich vom miesen Nachkriegsleben erzählen sollen. „Vorher-Fotos“ sollten es werden für die sanierungsbereite Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat. Die beauftragte Herbert Dombrowsky, die kriegserschütterten Häuser im Osten des Stadtteils abzulichten, bevor sie abgerissen wurden.

Angesichts dieser Aufgabe ist es ungewöhnlich, daß Dombrowsky die Menschen im Nachkriegs-Altona öfter knipste als die Gebäude: Großgeblümter Stoff umarmt Frauenhintern, Strickmützen deckeln Kinderköpfe. Knickerbocker entblößen Waden, die in Ringelstrümpfen versacken.

Die mit Bilder aus schlechten (?) Zeiten untertitelten Aufnahmen sind sämtlich schön anzusehen. Und bar jeder Sozialkritik. Der Fotograf will die guten Seiten der Nachkriegsjahre ablichten. So bleiben Straßen und Häuser zwar trist, aber stets ästhetisch, nie wird die Armut häßlich. Tratschende Nachbarn gerinnen zu Stilleben, feinkörnig und mit scharfen Konturen. Wenn er die Menschen unbemerkt knipst, gelingen Dombrowski bewegende Fotos. Wie das der Alten, die zwischen Fabrikruinen und Mauerrissen mit einem Handfeger Dreck aus der Gosse kehrt.

Zu welcher Altonaer Straße der Rinnstein gehört und wie es dort nach der Sanierung aussieht, bleibt leider unklar. Bildunterschriften gibt es nicht. Weil die Aufnahmen 30 Jahre lang im Keller der Neuen Heimat vor sich hingammelten, konnte angeblich niemand mehr nachvollziehen, wo die Bilder genau entstanden sind.

Den Ausstellungsbesuchern bleibt nur, das zu genießen, was das Hamburgische Architekturarchiv 1988 gerettet hat: hübsche Fotos aus Altona, nett anzusehen und garantiert elendsfrei.

Judith Weber

Altonaer Museum, bis zum 6. April; Katalog: Dölling und Galitz Verlag, 86 Seiten, 29,80 Mark