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Die meisten wollen lieber selbersingen

■ Graue Leute, grelle Schminke: Allen Fongs „A Little Life-Opera“ (Forum)

Die berühmten fünf Minuten Ruhm gibt es inzwischen in ganz Asien als Massenabfertigung in Karaoke-Bars. Was ja irgendwie auch sehr demokratisch ist. Auch in den industriell entwickelteren Gebieten der Volksrepublik wurden die traditionellen abendlichen Vergnügungen vom Selbersingen abgelöst. Nur in eher ländlichen Gegenden wie Ostchina gibt es weiterhin ausreichend Auftrittsmöglichkeiten für die vielen Laienspielgruppen mit ihren sentimentalen Liedern, Klamauk-Nummern und traditionellen Tänzen.

Eine solche Operntruppe steht im Mittelpunkt von „A Little Life- Opera“. Zwei Wochen voller Hoffen auf den nächsten Auftritt, Geldsorgen, Streit und Liebeshändel. „Die Bühne ist wie das Leben“, sagt die Leiterin der Theatertruppe, doch es scheint, als imitiere hier das Leben die Kunst.

Manchmal entnervend langsam erzählt Hongkong-Regisseur Allen Fong in seinem ersten in der VR entstandenen Film von den Umwälzungen, die das riesige Land in manchen Teilen schon durchlebt hat, in anderen gerade erst durchlebt. Die Theaterleute wohnen in der Stadt und reisen zum Auftritt aufs Land. Dort stehen die Menschen seltsam grau und verhärmt und fast unbeteiligt im Publikum und kontrastieren um so effektiver mit den farbigen Kostümen und grell geschminkten Gesichtern auf der Bühne.

Einmal tanzen die Leiterin und der erfolgreiche Geschäftsmann, der eigentlich lieber wieder wie früher auf der Bühne stehen möchte, in einem menschenleeren Raum, der einen holzgetäfelten DDR-Schick ausstrahlt, zu chinesischer Easy-Listening-Musik. Anschließend singen sie ein Karaoke- Duett. Aber die Liebesgeschichte, die eigentlich keine wird, hält nur notdürftig zusammen, was vor allem eine Referenz an eine untergehende Kultur ist. Thomas Winkler

„Yi Sheng Yi Tai Xi – A Little Life-Opera“. Hongkong/China 1997. 90 Min. Regie: Allen Fong. Mit: Winston Chao, Yang Gui-Mei

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