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■ VorschlagProjektil im Kopf: „La Seconda Volta“ im fsk

Ein Mann mittleren Alters sieht auf der Straße eine jüngere Frau und geht ihr nach, bis sie bei ihrem Zuhause angekommen ist: dem Gefängnis. Diese Szene bildet den Auftakt zu einer Serie aus stillen Verfolgungen, gelingenden und scheiternden Versuchen der Kontaktaufnahme. Unter allem liegt der ruhige Rhythmus eines unspektakulär in Szene gesetzten Turin: Ort von Arbeit und öffentlichem Nahverkehr. Die Ambivalenz der anfänglichen Verfolgung, die Gefühle, die beim Zuschauen unwillkürlich aufkeimen, bleiben an der Geschichte von Lisa Venturi (Valeria Bruni Tedeschi) und dem Professor Alberto Saievo (Nanni Moretti) bis zum Schluß haften. Doch es geht um etwas ganz anderes. Der Professor erkennt in der Frau eine ehemalige Angehörige der Roten Brigaden, die ihn zwölf Jahre zuvor bei einem Attentat beinahe getötet hätte. Die Kugel steckt noch in seinem Kopf.

Mit „La Seconda Volta“ drehte der Dokumentationsfilmer Mimmo Calopresti seinen ersten Spielfilm. Es ist, wie Nanni Moretti sagte, „eine Geschichte über die Gegenwart mit Personen, die ihre Vergangenheit in sich haben und nicht hinter sich“. Der Film kommt ohne Rückblenden aus. Der Terrorismus von damals hat seine Ästhetik verloren. Aber was ist von ihm geblieben? Nur zerstörte Biographien, kaputte Ideale, programmatische Pamphlete, von Zellgewebe umschlossene Projektile? „La Seconda Volta“ kreist auf überzeugende, mitunter großartige Weise um die Sedimente des Politischen im Privaten. Alberto, das Opfer, tritt dabei von Anfang an als potentieller Täter auf. Er und Lisa sind sich nicht sympathisch, sie werden es auch nicht. Die Gespräche, die irgendwann zustandekommen, sind vor allem von Grenzen geprägt, von der Unmöglichkeit, eine neue Perspektive heraufzubeschwören. In diesem Film ist viel vorbei. Obwohl kaum etwas passiert, besticht er durch eine eigentümliche Form von Spannung. Vielleicht resultiert sie aus ungeklärten Fragen. Für die Neunziger, auch das ist hier zu sehen, liegt die Periode des revolutionären Pathos weiter zurück, als es die Anzahl der Jahre ausdrückt. Hannes Klug

Ab morgen im fsk A, Segitzdamm 2, Kreuzberg

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