: Abgesägte Füße
■ Firma lockt mit Nebenrollen und kassiert für Fotos ab
Neue Gesichter“ oder „Statist für TV-Produktion gesucht“. Seit Monaten findet man derartige Inserate im ganzen Bundesgebiet in Tageszeitungen und Stadtmagazinen unter der Rubrik „Stellenangebote“. Eine „D&H Film“ aus Lübeck lockt mit der Chance, für den Film entdeckt zu werden, lädt gegen „geringe Kostenpauschalen“ zu Probeaufnahmen ein – und das war's dann auch. Polizeidienststellen in Lübeck und Saarbrücken ermitteln inzwischen wegen Betrugs.
Interessenten, die sich bei „D&H“ melden, bekommen in der Regel bereits nach wenigen Tagen eine Einladung in ein örtliches Hotel. Dort sollen dann Probeaufnahmen stattfinden. „Kleiden und geben Sie sich so, wie Sie sich auch im natürlichen Leben sehen wollen“, rät die Firma. Schließlich soll die kurze Aufnahme „sowohl Ihre Optik als auch Ihre darstellerischen Fähigkeiten aufzeigen“. Man kündigt an, die gefertigten Aufnahmen würden für „derzeit 47 Produktionen kopiert werden“. Von „festen Abonnentenpartnern“ ist die Rede, die „laufend neue Kleindarsteller für TV- und Kinowerbespots sowie Nebenrollen in TVSerienproduktionen“ benötigten. Dazu zählten „wichtige Produktionsfirmen, die für nahezu alle großen Sender arbeiten“ würden.
Für die Aufnahmen verlangt die Lübecker Firma 57 Mark, eine Videokopie für „weitere Bewerbungen“ kostet noch einmal 28 Mark. Die meisten Interessenten werden also 75 Mark los und reiben sich dann bei der Ansicht ihrer VHS- Kopie die Augen ob der schlechten Qualität. Eine Festeinstellung vom Stativ, die Füße abgesägt, die Ausleuchtung miserabel. Kein Wunder also, wenn sich in den nächsten Wochen keine Produktionsfirma meldet.
Die Firma „D&H Film“ in der Lübecker Böttcherstraße hält sich bedeckt. Weder im Branchenverzeichnis noch im Handelsregister ist sie als Produktionsfirma verzeichnet. „D&H“ steht für Drißler und Hein, eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, die als „Filmverlag“ firmiert. Die von der Firma auf Nachfrage genannten „Abonnentenpartner“ dementieren, in geschäftlicher Beziehung zu „D&H“ zu stehen. Die Frankfurter Filmproduktions-GmbH beispielsweise versichert, weder bei der Lübecker Firma Kassetten geordert noch welche von dort bekommen zu haben. Das Wiesbader Unternehmen Giernot hat zwar schon einmal ein Band aus Lübeck angefordert, konnte damit jedoch nichts anfangen. „Eindeutig unprofessionell“, lautet der Kommentar des Firmenchefs. „Schlecht beleuchtete Gestalten laufen vor einer tapezierten Wand herum.“
Inzwischen häufen sich bei der Kriminalpolizei in Lübeck die Beschwerden über die zwielichtige Firma. Ermittlungen laufen ebenfalls in Saarbrücken. Dort wurden bei einer polizeilichen Kontrolle nach den „Probeaufnahmen“ als Tageseinnahme immerhin 4.000 Mark festgestellt. „D&H Film“ läßt sich von den polizeilichen Ermittlungen nicht beirren und dreht weiter munter „Probeaufnahmen“. G. Faul/B. Siegler
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