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■ SURFBRETTEin virtueller Ort des Todes

Beim Besuch der virtuellen „Räume der Ruhe“ entsteht ein seltsames Gefühl. Es gibt öffentliche Räume und private, die mit einem Paßwort geschützt sind. Was mag sich dahinter verbergen? Der Tod ist ein Tabuthema, auch im Web. Und das Projekt „Memopolis – Im Schatten des Todes“ bricht das Tabu. Begleitet vom Lehrstuhl für Volkskunde der Universität Regensburg beschreitet die „Gesellschaft für Untertagebau“ (http://memopolis. uniregensburg.de) neue Wege der Annährung an den Tod. Als digitales „Erinnerungsreservoir, das privaten wie öffentlichen Gedächtniskulten ein idealerweise materiell unbeschwertes Medium hinterlegt“ wollen es die Macher verstanden wissen und zeigen auf, wie sich das praktisch realisieren ließe.

Das Projekt erwartet die Mitarbeit der User und fordert dazu auf, an einer digitalen und kollektiv erschaffenen „Erinnerungsgemeinschaft“ teilzunehmen. Die Initiatoren bieten den Surfern die Möglichkeit, sich einen öffentlichen und einen privaten Raum der Ruhe einzurichten, der mit Texten, Bildern, Animationen und Tönen zum Thema Tod gestaltet werden kann. Etwa 70 Teilnehmer gibt es bereits, ein großer Teil davon hat jedoch den öffentlich zugänglichen Raum noch nicht gestaltet. Fehlt es an Anregungen? Der gleich nebenan liegende Raum „Allerlei“ zeigt, daß die Auseinandersetzung mit dem Tod keine bierernste, akademisierte Angelegenheit sein muß. In einem langen Text geht es um das Diesseits des Todes, um Verewigung und Erinnerung – und was der Computer damit zu tun hat. Auch ein paar Kuriositäten sind hier gesammelt – etwa das Foto von der Beerdigung eines 72jährigen Amerikaners, der sich in seinem Sportwagen begraben ließ.

Auch wenn einiges fremd und lächerlich erscheinen mag, kann man doch dabei erfahren, was unsere Kultur verdrängt und leugnet. Und nur wer einige Zeit verweilt, wird eine Menge Texte entdecken, die sich intensiv und vielseitig mit dem Thema Tod in Geschichte und Gesellschaft auseinandersetzen. Memopolis ist ein Projekt, das Möglichkeiten des Diskurses im Web auszuloten versucht, um diesen virtuellen Ort des Todes in eine „Zukunft der Erinnerung“ zu bringen. Die Initiatoren sind dabei konsequent: Sie fordern dazu auf, diesen Ort auszubauen und lebendig zu halten. Nur so kann ein vernetztes Gedächtnis entstehen, das diesem existentiellen Thema gerecht wird. „Die Fiktion des Endes ist auch das Ende der Fiktion“ (Christian L. Hart Nibbrig). Ralph Segert

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