■ Kommentar: Zum Schaden junger Köpfe
Seit fünf Monaten malträtiert der Senat sich und die Stadt mit Zahlen, Zahlen und nochmals Zahlen. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) wollte „Haushaltsklarheit und -wahrheit“ in die subventionsverwöhnte Metropole mitbringen. Sie hat, zugegeben, die Finanzen in den Mittelpunkt gerückt – und dabei Politik auf einen einzigen Inhalt reduziert: das knappe Geld. Politische Gestaltung, soziale Prioritäten oder solche, die in die Zukunft weisen, sind nicht erkennbar.
Von Konsolidierung, dem obersten Politikmaßstab, kann indes keine Rede sein. Ein Blick auf den Etat 1997, der nun endlich vorliegt, zeigt: Die Ausgaben sinken nicht etwa, sie steigen. Und das, obwohl in den Einzeletats mit einer klaren Tendenz gekürzt wurde: Als Sparschweine stehen Jugendliche, Studierende, sozial Schwache, Erwerbslose und Frauen da. Gerupft wurden vor allem die Ressorts Arbeit/Frauen, Wissenschaft/ Kultur sowie Gesundheit/Soziales. Strukturell gestärkt geht der Justiz- und Polizeiapparat aus den Etatberatungen hervor sowie die scheinbar unbezwingbare Trutzburg der Bauverwaltung.
Allein von den Proportionen her läßt sich ein Etat nicht beurteilen. Wie steht es also mit strukturellen Reformen? Es gibt sie, lautet die erste Botschaft. Im Sozialressort wurde der sogenannte Ligavertrag geschlossen. Mit den Universitäten geht man einen ähnlichen Weg. Auch die Verwaltung soll an Haupt und Gliedern reformiert werden. Doch der Wandel, so die zweite Botschaft, droht verhunzt zu werden. Die den Zuwendungsempfängern angebotenen Vertragslösungen sind mit dem freiwilligen Handschlag versüßte Kürzungen. Strukturelle Auswirkungen? Fehlanzeige! Statt intelligente Evaluierungssysteme im Sozialen einzuführen, haben sich die Wohlfahrtsverbände mit dem Ligavertrag zu Behörden degradieren lassen. Anstatt den Unis Reformfreiheit zu geben, wird in einem Anhang zum Rahmenvertrag mit den Hochschulen das Studium kaputtreglementiert. Und die Verwaltungsreform, das verkannte Jahrhundertprojekt Berlins, wird an personeller Auszehrung zugrundegehen. Oder wie will man eine Kulturrevolution in der verkrusteten Administration herbeiführen, wenn man wegen der Personalkürzungen für Jahre keinen Nachwuchs mehr in die Amtsstuben läßt?
Dieser Etat, das war seit der unsäglichen Sparklausur klar, wird kein Meisterstück. Heute wissen wir: Der Senat hat die Stadt genasführt. Er hat hinter einer dümmlichen Prioritätendebatte knallharte Interessenpolitik betrieben – zugunsten von Beton, zum Schaden der jungen Köpfe. Christian Füller
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