Täter erhalten Renten – Opfer keine

Die erschreckende Erkenntnis, daß Täter Opferrenten bezogen haben, lenkt die Gedanken erneut auf diejenigen unter den Opfern, die bisher nicht in den Genuß einer Rente gekommen sind: die nicht in westlichen Ländern lebenden KZ- Opfer und Zwangsarbeiter der Nazizeit. Sich mit den Untaten der Nazis zu beschäftigen, wird auf lange Sicht möglich (und nötig) sein – will man etwas für die Menschen tun, die unter diesem Terror gelitten haben, muß man sich beeilen: Sie werden nicht mehr lange am Leben sein. [...]

Den wenigen noch lebenden Naziopfern die symbolische Genugtuung einer persönlichen Rente zu verschaffen, dazu beizutragen wären sicher viele der heute in Deutschland lebenden Menschen bereit – wohl auch und gerade die jüngeren, denen das Grauen der Nazizeit vielleicht erst in den letzten Jahren richtig klar geworden ist. Um dies ins Werk zu setzen, bedarf es der geeigneten Organisation und Logistik. Um eine solche zu schaffen bzw. um vorhandene Strukturen für diesen Zweck zu nutzen, sind politischer Wille, Mut und Initiative erforderlich – wie sie vor zirka zwei Jahren drei Bundestagsabgeordnete verschiedener Fraktionen, die sich um die baltischen KZ-Häftlinge bemühten, sowie kürzlich Herr Beck von den Grünen zeigten.

Wenn der nötige Grad an Publizität erreicht wird, werden wohl auch diejenigen Unternehmen sich mit namhaften Summen beteiligen, die am meisten von der Arbeitskraft von KZ-Häftlingen und anderen Zwangsarbeitern profitiert haben. Hilfreich wären Führungspersönlichkeiten, die sich dieser Sache annehmen würden. [...]

Die letzten „lebenden Denkmäler“, die den Holocaust in der Opferrolle erlebt und oft nur durch Zufall überlebt haben, sollten uns eine Anstrengung wert sein – bevor die Zeit kommt, in der wir nur noch ihre Gräber und andere „stumme Denkmäler“ einer der größten menschlichen Katastrophen unseres Jahrhunderts pflegen können. Denkbar wäre: Der Staat zahlt an alle Berechtigten – die Kassen sind leer – eine Minimalrente. Es wird ein Spendenkonto eingerichtet, aus dem die individuellen Renten laufend um einen anteilsmäßigen Betrag des (einmalig oder laufend) gespendeten Geldes aufgestockt werden.

Versicherungsmathematisch dürften bei diesem „Rententhema“ wohl niemandem graue Haare wachsen – in zirka zehn Jahren wird es sich von selbst erledigt haben.

Für die Betroffenen aber, die vor allem an der Wunde der Mißachtung und Verachtung leiden, symbolisiert schon eine kleine Summe Beachtung und Achtung ihres Schicksals – das natürlich durch kein Geld der Welt je „wieder – gut – gemacht“ werden kann. (Abgesehen von diesem Aspekt: In den Ostländern gibt es auch Betroffene, für die dieses Geld lebensnotwendig ist.) Thomas Thun, Geiselhöring