piwik no script img

Jetzt endlich nicht mehr un-be-Dacht

■ Sieben Obdachlose weihen ihr neues Domizil an der Cuxhavener Straße ein

„Aus Iserlohn bin ich damals wegen der Arbeit weg. Ich war Lagerarbeiter in 'ner Spedition und hatte meinen Job verloren.“Das war vor drei Jahren. Georg N., heute 50 Jahre, wußte, daß er „in dem Alter kaum noch was kriegen würde“. In Hamburg hatte er „immerhin Verwandtschaft“. Doch aus der erhofften Stelle an der Elbe wurde nichts, die Wohnung irgendwann gekündigt.

„Blieb nur die Männerpension am Billbrookdeich.“Georg N. und sechs weitere alleinstehende, langzeitarbeitslose Männer zwischen 30 und 58 Jahren haben geschafft, „was sich die meisten aus diesen Massen-Obdachlosenunterkünften wünschen: dort schnellstens wieder rauszukommen“. Gestern weihten die sieben „ihr“neues Domizil an der Cuxhavener Straße in Neugraben ein. Zwei Jahre lang haben sie die ehemalige Bäckerei „eigenhändig“, wie sie betonen, renoviert, haben Wände durchbrochen, Holzdecken eingezogen, Tapeten geklebt. Sobald der Teppich verlegt ist, werden die Männer sich in ihrer Wohngemeinschaft „Hausbacken“einrichten.

„Das ist eine Wohnform, die vor Vereinsamung und Vereinzelung schützt“und dem Einzelnen dennoch zugleich Rückzugsmöglichkeiten gebe, drückte Elisabeth Lingner, Senatsdirektorin der Sozialbehörde, gestern ihre „ganz besondere Freude“über das Projekt aus und den Bewohnern einen riesigen Schlüssel in die Hand.

Damit ist es den Kooperationspartnern Landessozialamt, Stadtentwicklungsbehörde (Steb), Lawaetz-Stiftung und Bezirk Harburg – nach dem „Winkelmannschen Hof“in Langenhorn – zum zweiten Mal gelungen, ein leerstehendes Haus Wohnungslosen kostengünstig zur Verfügung zu stellen. Und das ging so: Die Sozialbehörde als Eigentümerin übergab das Haus an die Lawaetz-Stiftung, die es zusammen mit den Bewohnern und mit Mitteln der Steb (360.000 Mark) sanierte. Die sieben Männer gründeten einen Verein, der für die künftige Selbstverwaltung des Wohnprojekts verantwortlich ist.

Georg N. wohnt direkt unterm Dach, wo er „alle Wände selbst gestrichen“hat. „Hier“, nickt er zuversichtlich, „hier wird es auch wieder was mit der Arbeit“: Im hinteren Gebäudeteil wird ein Harburger Beschäftigungsprojekt angesiedelt. Heike Haarhoff

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen