Feine Herren im rechten Gespräch

■ Das "Dienstagsgespräch", das vor zwei Jahren wegen der Beteiligung des Sprechers von Innensenator Heckelmann eine Senatskrise auslöste, tagt noch immer im "Hilton". Eine Dokumentation der rechten Herrenrun

Das Hilton-Hotel ist in Berlin eine der feineren Adressen: Mitten im neuen Zentrum am Gendarmenmarkt gelegen, piekfein, teuer. In der Lobby lädt ein idyllisches, mit Pflanzen geschmücktes Café zum Verweilen ein. Der Service ist exzellent, die Atmosphäre gediegen, und die Gäste gehören zur gesellschaftlichen Oberschicht.

Das ist auch an je einem Dienstag im Monat nicht anders, wenn sich hier eine spezielle Runde zusammenfindet: Wer in der nationalen Szene Aufmerksamkeit zu ernten und Kontakte zu knüpfen hofft, trifft sich beim Stelldichein mit vaterländischer Prominenz beim Berliner Dienstagsgespräch. Noch immer.

Dem Dienstagsgespräch ist in der Vergangenheit unzweifelhaft einiges gelungen: Es hat eine Senatskrise ausgelöst, verschiedene Berliner Politfunktionäre stürzen lassen, im letzten Jahr so prominente Gäste wie Harald Juhnke gehabt. Und am 11. März treffen die Herren in diesem Jahr zum erstenmal wieder zusammen, um im „Salon Durieux“ des Hilton die rechte Gesinnung zu stärken. Für den 22. April ist nach Auskunft des Hilton erneut ein Termin angesetzt.

Im Sommer 1994 wurde das Dienstagsgespräch zum Stadtgespräch: Beamte des Staatsschutzes hatten registriert, daß der Sprecher des damaligen Innensenators Dieter Heckelmann an der rechten Runde teilnahm.

Die Polizei informierte den Verfassungsschutz, der wiederum Innensenator Heckelmann; ein Artikel im Tagesspiegel machte den Fall öffentlich. Gestoßen waren die Beamten auf das Dienstagsgespräch, als der Organisator Hans-Ulrich Pieper die Beamten um Personenschutz für Jörg Haider bat, der im Mai 1993 in Berlin als Referent gewonnen werden konnte. Die Anfrage wurde an den Staatsschutz weitergeleitet. Pieper erläuterte den Charakter der Runde: gediegen, verschwiegen.

Nach einem ersten Gespräch resümierten die Staatsschützer: „Die Gesprächsrunde setzt sich aus zirka 80 Personen zusammen. Einladungen wurden an Führungskräfte der Berliner und brandenburgischen Wirtschaft sowie an Medienvertreter verschickt. Durch den Veranstalter wird gewährleistet, daß nur Personen mit Einladungskarten bzw. Personen, die von Angesicht zu Angesicht bekannt sind, Zutritt haben. Voraussichtliches Ende der Veranstaltung wird gegen 22.30 Uhr sein. Danach findet noch im kleinen Kreis (Veranstalter) eine interne Gesprächsrunde unter Beteiligung Dr. Haiders statt. Diese Gesprächsrunde wird jedoch in keiner Weise publiziert.“

Was die Staatsschützer dann vor Ort überraschte, war die Tatsache, daß der Sprecher des Innensenators, Hans-Christoph Bonfert, nach ihren Beobachtungen nicht nur dem Referat des österreichischen Rechten Jörg Haider lauschte, sondern anschließend auch an der internen Veranstalterrunde teilnahm; zudem hatte Pieper in einem Schreiben an den Innensenator vom 30. April 1993, kurz vor dem Haider-Besuch, den Staatssekretär des Innensenats noch mal um Schutzmaßnahmen gebeten, „entsprechend einer Empfehlung von Herrn Bonfert“. Die Staatsschützer besuchten die Runde auch nach dem Haider-Besuch regelmäßig und trafen den Sprecher des Innensenators diverse Male: Bonfert, so die Polizisten, zähle „zum engeren Kreis um Herrn Pieper“.

Die Veröffentlichung löste ein mittelschweres Senatsbeben aus. Bonfert wehrte sich: Er sei erschüttert und habe nicht gewußt, daß Hans-Ulrich Pieper möglicherweise einen rechtsextremen Hintergrund habe, er habe beim Dienstagsgespräch auch nie rechtsextreme Tendenzen erkennen können. Schließlich mühte sich auch Innensenator Dieter Heckelmann (CDU), den Kreis reinzuwaschen: An dem „Gesprächskreis für Führungskräfte aus Wirtschaft und für Medienvertreter“ hätten namhafte Persönlichkeiten teilgenommen.

Tagelang dominierte das Thema die Zeitungen der Hauptstadt, bis Bonfert schließlich hausintern versetzt wurde und später das Haus verließ; Heckelmann jedoch konnte bleiben.

Hans-Christoph Bonfert selbst hat ausgiebig Erfahrung in ultrakonservativen Kreisen gesammelt. Er war im Redaktionsgremium der Paneuropa-Zeitschrift Paneuropa- Deutschland, hat darüber hinaus Kontakte zum Studienzentrum Weikersheim, die bis ins Jahr 1989 zurückreichen.

Bonferts Name taucht bereits 1990 in den, in der linksradikalen interim veröffentlichten Abonnentenlisten der Jungen Freiheit auf; zu einer Zeit also, als die Junge Freiheit noch ein relativ unbekanntes rechtes Kampfblatt war. Bonfert muß also sehr genau gewußt haben, was er tat. Und auch Hans-Ulrich Pieper, dessen Name wiederholt in den Akten der Sicherheitsbehörden genannt wird, ist Zeit seines Lebens Aktivist im Dienst der rechten Sache gewesen.

Der Berliner Extra- Dienst meldete bereits am 12. Juni 1968 nach einem Überfall Rechtsradikaler auf die Basisgruppe Moabit und das Zentrum der Apo- Studenten vom SDS am Ku'damm: „Die NPD hat gegen den Chef der 13köpfigen Gruppe, den 1948 in Berlin geborenen Hans-Ulrich Pieper, Vorsitzender der Peter- Fechter-Jugend und Propagandareferent der Jungen Nationaldemokraten, ein Ausschlußverfahren eingeleitet.“

In einem Rundschreiben habe Pieper die Angehörigen der Peter- Fechter-Jugend außerdem aufgefordert, „sich Uniformen zuzulegen sowie Karate- und Schießausbildung durchzuführen“. Und auch die Kontakte Piepers in die etablierte konservative Szene hinein reichen weit zurück: In der gleichen Woche meldete der Extra- Dienst, Pieper habe sich mit Heinrich Lummer getroffen, um die Aktivitäten der Peter-Fechter-Jugend zu intensivieren. In den Jahren danach machte er schnell Karriere: Studium der Geschichte und Politischen Wissenschaften, nach eigenen Angaben danach Referent in der CDU-Bundesgeschäftsstelle unter Kurt Biedenkopf, schließlich Anfang der achtziger Jahre Pressesprecher der Düsseldorfer Rüstungsfirma Rheinmetall.

Pieper hatte längst seine Aktionsformen geändert: Statt „Karate- und Schießausbildung“ übte er sich in Networking, und im Oktober 1990 kandidierte Pieper bei der bayerischen Landtagswahl im Münchner Wahlkreis für die Republikaner.

Pieper imponiert die Düsseldorfer Herrenrunde; als er nach Berlin umzieht, beginnt er, eine entsprechende Runde in Berlin aufzubauen – das Dienstagsgespräch. Mit Erfolg: Durch Piepers reichhaltige politischen Erfahrungen und Kontakte in Wirtschaft, Politik und Medien im Hintergrund entwickelt das Dienstagsgespräch schnell Zugkraft. Die Liste der Teilnehmer beim Dienstagsgespräch liest sich wie ein Who is who einflußreicher konservativer Eliten. Vor allem war es Pieper gelungen, rechte Vertreter nahezu aller Bereiche wie Politik, Medien und Wirtschaft zusammenzuführen.

Das Spektrum reicht von Ultrarechten wie dem Professoren Ernst Nolte, verschiedenen Redakteuren der Jungen Freiheit, darunter JF-Chefredakteur Dieter Stein, diversen Mitgliedern der „Republikaner“ bis ins Parteienspektrum zu Alexander von Stahl, dem unvermeidlichen CDU-Rechtsausleger Heinrich Lummer und dem CDU- Abgeordneten Ekkehard Wruck. Aus der Wirtschaft saßen hochrangige Mitarbeiter der Treuhandanstalt genauso am Tisch.

Überdurchschnittlich hoch war beim Dienstagsgespräch stets der Anteil von Medienvertretern: Ansgar Graw aus der SFB-Intendanz, Welt-Mann Rainer Zitelmann, der Rathaus-Redakteur der Berliner Morgenpost, Hans Krump, der ehemalige Welt am Sonntag-Journalist (jetzt ebenfalls für die Morgenpost schreibend) Frank Hauke, n-tv-Chef Karl-Ulrich Kuhlo, ein ehemaliger Löwenthal-Mitstreiter beim ZDF – die Liste ließe sich verlängern. Nicht nur der Sprecher des Berliner Innensenators nahm an der Gesprächsrunde teil, sondern auch die beiden Sprecher des damaligen Berliner Finanzsenators Elmar Pieroth (CDU), Klaus-Hubert Fugger und Axel Kammradt.

Auch die Referentenliste des Dienstagsgesprächs hat es in sich, sie reicht bis hinein in die höchsten Kreise der Republik: Vom ehemaligen BKA-Vizepräsidenten Gerhard Köhler über den notorischen Rechten Gerhard Löwenthal bis zum Hausverleger der Neuen Rechten, Herbert Fleissner. Der Laut- und Vielsprecher des Bundes Freier Bürger, Manfred Brunner, referierte im Januar 1994, der Professor Arnulf Baring sprach im März 1994 zu der die Teilnehmer brennend interessierenden Frage „Wieviel neues Denken braucht unser Land?“, und das Mitglied der Bild-Chefredaktion, Paul C. Martin, widmete sich im April 1994 der spannenden Frage „Wann kommt der große Crash, und was kommt dann nach der Demokratie?“.

Auch eine Reihe von Wirtschaftsvertretern sprachen vor der Runde. So referierte das Vorstandsmitglied der Mineralölfirma Elf Oil AG, Dr. Reinhard Coulon, im Mai 1994. Mario Ohoven, geschäftsführender Gesellschafter der Investor- und Treuhand aus Düsseldorf, sprach 1994 über „Deutschland vor der Wahl – so sichern wir unsere Zukunft“. Bereits im Herbst 1993 hatte Dr. Wilhelm Nölling, ehemaliger Chef der Landesbank Hamburg, doziert.

Die Staatsschützer, die den Kreis regelmäßig besuchten, berichteten später in einem lange als „VS-Vertraulich“ klassifizierten Bericht, die Teilnehmer hätten sich selbst als „deutsch-national- patriotisch-rechts denkend“ und „rechts der CDU“ bezeichnet. Keiner dieser Konservativen, dem nicht das Aufbrechen des vermeintlichen „linken Meinungskartells“ am Herzen läge: Nach dem Referat von Herbert Fleissner sollen die Teilnehmer des Dienstagsgesprächs, so die Staatsschützer, offen dazu aufgerufen haben, die Junge Freiheit zu unterstützen und sie als die einzige bundesweit bedeutende rechte Zeitung als Gegenstück zum Spiegel aufzubauen. Ein anderer Gesprächsteilnehmer habe die Teilnehmer agitiert, „ähnlich der Linken einen Marsch durch die Institutionen vorzunehmen“. Haider bekam starken Beifall dafür, daß er die „Republikaner“ unterstützte. Ins Bild paßt auch, daß bei einem Treffen des Dienstagsgesprächs überraschend eine Delegation der Jugendabteilung des Studienzentrums Weikersheim auftauchte. Bei den Jung-Weikersheimern, notierte ein verblüffter Besucher, handle es sich „offensichtlich um Angehörige der rechten Szene“.

Die politischen Auswirkungen, die der Heckelmann-Bonfert- Skandal nach sich zog, schwächten vor allem die SPD, die sich mit ihrer Forderung, Innensenator Heckelmann müsse zurücktreten, nicht durchsetzen konnte. SPD- Fraktionschef Ditmar Staffelt, der am stärksten auf Heckelmanns Rücktritt gedrängt hatte, trat wenig später selbst zurück. Während sich die SPD in der Auseinandersetzung verschliß, pflegte Hans- Ulrich Pieper Kontakte bis in die Neonaziszene hinein: Am 1. Mai 1993 war Pieper Criticon-Autor seit zwei Jahrzehnten, Teilnehmer einer Berliner Tagung der Deutsch-Europäischen Studiengesellschaft, die vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet wird; am 23. Februar 1994 besuchte er ein Treffen des Hoffmann-von-Fallersleben-Bildungswerks, an dem laut Sicherheitsexperten auch die Neonazis Ulli Boldt, Frank Schwerdt und die „Grande Dame“ des Berliner Rechtsextremismus, Ursula Schaffer, teilgenommen haben sollen. Wenig später wurde Piepers Porsche vor einem Treffpunkt der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen beobachtet, einer fraktionsübergreifenden Vereinigung der Berliner Naziszene, die ebenfalls im Blick des Verfassungsschutzes ist.

Nach der Senatskrise wurde es ruhiger um das Dienstagsgespräch, was ganz im Sinne der Runde ist. Heute ist das Interesse an diesen Herren fast wieder auf das Minimum von einst zurückgegangen; die Heckelmann-Bonfert-Affäre hat viel Staub aufgewirbelt, der Klub indes macht weiter: Monat für Monat trifft man sich unverdrossen im Hilton-Hotel.

Der damalige Organisator Pieper erklärt zwar heute, „von meiner Seite aus findet das Dienstagsgespräch nicht mehr statt“, aber im Hilton sind nach wie vor Veranstaltungen unter seinem Namen angemeldet. Pieper dazu: „Vielleicht benutzt da jemand meinen Namen, oder es gibt noch Briefpapier von mir. Ich mache dazu deshalb keine weitere Ausage.“ Noch im letzten Jahr allerdings erwartete Pieper persönlich im Foyer des Hilton seine Gäste. Im Frühjahr 1996 gelang es den Dienstaglern sogar, den Schauspieler Harald Juhnke zur Teilnahme an einer Veranstaltung zu bewegen, bei dem, berichtet Juhnke, der Düsseldorfer Autogroßhändler Becker referierte; das sonst so gediegene Hilton strahlte für einige Stunden den Charme einer Bushaltestelle aus: Im Foyer verunzierten mehrere „Ein Herz für Deutschland“- Aufkleber die Optik.

Juhnke war von Becker persönlich eingeladen worden. Auf die verwunderte Nachfrage der taz sagte Juhnke konsterniert: Ich habe schnell gemerkt, daß das nicht meine Linie war, die Leute dort. Das war eine ganz andere Couleur. Deshalb bin ich auch schnell wieder verschwunden. Ich würde da auch nie wieder hingehen.“