■ Frankfurt: Warum der CDU-Erfolg etwas Beruhigendes hat: Wundersame Welt
Ein Wunder ist geschehen. Hessen hat gewählt und alle haben gewonnen. CDU-Pastor Hintze sieht, daß die Hessen „die Reformpolitik von Bundeskanzler Kohl“ ermutigt haben, SPD-Mann Müntefering entdeckt einen „Vertrauensbeweis“ für die SPD, Guido Westerwelle hat ein ermutigendes Wählersignal für die FDP vernommen und die Grünen sind's ohnehin zufrieden. Nur Sieger, keine Verlierer. Wie schön.
In Frankfurt gingen andererseits 40 Prozent nicht zur Wahl. So scheint sich die bundesdeutsche Musterdemokratie unaufhaltsam US-Verhältnissen anzunähern. Warum? Glaubt man dem Frankfurter Wahlleiter, so sind an dem sprachlosen Wahlboykott keineswegs solche leeren, stets gleichen politischen Beschönigungsrituale mit schuld. Nein, das „Wetter war zu gut“. Put the blame on the sun. Rätselhafte Welt: Zwar können Wissenschaftler aus einer Euterzelle ein neues Schaf kreieren und alles, was Laien bislang für naturgegeben hielten, auf den Kopf stellen. Doch wenn die Arbeitslosenzahlen im Februar (Winter, zu kalt!) auf 4,8 Millionen klettern oder Wähler nicht mehr wählen wollen (Sonne, zu warm!), dann muß dies ein Werk der Natur sein, vor dem der bescheidene menschliche Geist seufzend zu resignieren hat.
Wo bleibt das Positive? Es kommt erstaunlicherweise aus der Frankfurter CDU, über die bislang wenig Gutes zu sagen war. Der CDU-Spitzenkandidat Bernhard Mihm will auch in Zukunft nichts mit den Reps zu tun haben, denen im Römer unverdient die Rolle des Züngleins an der Waage zwischen CDU/ FDP und Rot/Grün zugefallen ist. Dies ist bemerkenswert, gerade wenn man den Blick auf München und Berlin richtet. In München brachte Peter Gauweiler mit seiner bizarren Propaganda gegen die Wehrmachtsausstellung die dortige CSU auf NPD-Kurs, in Berlin zog der CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky kürzlich im Nazijargon („Ratten“) gegen Einwanderer aus dem Osten und anderes Gesocks zu Felde. Insofern hat der CDU-Erfolg in Frankfurt durchaus etwas Beruhigendes. Wahlen gewinnt die CDU noch immer in der Mitte, nicht mit rechtsextremer Rabulistik. Stefan Reinecke
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